Struktur und Funktion von Katalysatoren in Aktion zu verstehen – das ermöglicht ein von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Kolleginnen und Kollegen an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI in der Schweiz und an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Frankreich eingesetztes innovatives Diagnoseinstrument: Die operando-Röntgenspektroskopie visualisiert Struktur und Gradienten komplexer technischer Katalysatoren in 3D und erlaubt einen Blick ins Innere funktionierender chemischer Reaktoren.
Struktur und Funktion von Katalysatoren in Aktion zu verstehen –
das ermöglicht ein von Forschenden des Karlsruher Instituts für
Technologie (KIT) mit Kolleginnen und Kollegen an der Synchrotron
Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI in der Schweiz
und an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Frankreich
eingesetztes innovatives Diagnoseinstrument: Die
operando-Röntgenspektroskopie visualisiert Struktur und Gradienten
komplexer technischer Katalysatoren in 3D und erlaubt einen Blick ins
Innere funktionierender chemischer Reaktoren. Darüber berichten die
Forschenden nun in Nature Catalysis. (DOI: 10.1038/s41929-020-00552-3)
Die
Katalyse ist für viele Branchen unentbehrlich. So werden 95 Prozent
aller Chemikalien mithilfe von Katalysatoren hergestellt. Auch für
Energietechnologien und beim Umweltschutz übernehmen Katalysatoren eine
Schlüsselrolle. Katalysatoren sind Stoffe, die chemische Reaktionen
beschleunigen, um Energie zu sparen und unerwünschte Nebenprodukte zu
vermeiden. Auf diesem chemisch-physikalischen Prinzip basieren ganze
Anlagen, beispielsweise Katalysatoren in Fahrzeugen oder Kraftwerken zur
Reduktion von Schadstoffemissionen in der Abluft. Technische und
industrielle Katalysatoren werden unter anderem auch in der Düngemittel-
und in der Polymerherstellung eingesetzt. Oft müssen sie einem hohen
Druck standhalten und eine hohe mechanische Festigkeit aufweisen.
Darüber hinaus arbeiten sie unter dynamischen Umgebungsbedingungen. Bei
Katalysatoren bringen schon kleine Effizienzsteigerungen wesentliche
Vorteile für Mensch und Umwelt, sei es bei der Entfernung von
Schadstoffen wie Kohlenmonoxid, Stickoxiden und Feinstaub aus Abgasen,
sei es bei der Produktion von grünem Wasserstoff. Um katalytische
Materialien und Methoden zu verbessern, bedarf es allerdings eines
genauen Verständnisses ihrer Funktion. „Ob in einem großen chemischen
Reaktor, in einer Batterie oder unter einem Auto – technische und
industrielle Katalysatoren besitzen eine hochkomplexe Struktur”, sagt
Dr. Thomas Sheppard vom Institut für Technische Chemie und Polymerchemie
(ITCP) des KIT. „Um wirklich zu verstehen, wie diese Materialien
funktionieren, müssen wir einen Blick in das Innere des Reaktors werfen,
während der Katalysator arbeitet – am besten mit einem analytischen
Werkzeug, das einen Einblick in die komplexe 3D-Struktur des aktiven
Katalysators erlaubt.“
Operando-Röntgenspektroskopie liefert 3D- und wichtige chemische Informationen
Thomas
Sheppard leitete eine Studie zu Fahrzeugkatalysatoren, über deren
Ergebnisse die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom
KIT sowie vom PSI und von der ESRF nun in der Zeitschrift Nature
Catalysis berichten. Zur Untersuchung der Katalysatoren setzte das Team
ein neu entwickeltes Set-up ein und führte Tomografie-Experimente an
Synchrotronstrahlungsanlagen in der Schweiz und in Frankreich durch. Die
Computertomografie liefert 3D-Bilder einer Probe, und zwar sowohl von
außen als auch von innen, ohne dass die Probe aufgeschnitten werden
muss. Anhand eines speziellen Reaktors verfolgten die Forschenden einen
aktiven katalytischen Prozess mit Tomografie und Röntgenspektroskopie.
So gelang es ihnen, die 3D-Struktur eines Katalysators zur
Emissionskontrolle unter Bedingungen zu beobachten, die denen in realen
Autoabgasen entsprechen. Diese sogenannte operando-Röntgenspektroskopie
liefert nicht nur die 3D-Struktur der Probe, sondern auch wichtige
chemische Informationen.
Methode eignet sich für verschiedene Katalysatoren
„Da
Katalysatoren oft eine so komplexe und uneinheitliche Struktur
aufweisen, ist es wichtig zu wissen, ob das gesamte Katalysatorvolumen
oder nur Teile davon ihre chemische Funktion wie vorgesehen erfüllen“,
erklärt Johannes Becher vom ITCP, einer der Hauptautoren der Studie.
„Mit der operando-Röntgenspektroskopie können wir die spezifische
Struktur und Funktion jedes einzelnen Teils betrachten. Dies zeigt uns,
ob der Katalysator mit maximaler Effizienz arbeitet und – was noch
wichtiger ist – ermöglicht uns, die zugrunde liegenden Prozesse zu
verstehen.“ Während der Reaktion beobachtete das Team einen
strukturellen Gradienten der aktiven Kupferspezies innerhalb des
Katalysators, der zuvor mit herkömmlichen analytischen Werkzeugen nicht
nachgewiesen werden konnte. Dies ist eine wichtige diagnostische
Information für die Leistung von Katalysatoren zur Emissionskontrolle.
Die Methode an sich lässt sich jedoch für viele verschiedene
Katalysatoren und chemische Prozesse anwenden.
Neue Möglichkeiten für die Material- und Reaktionsdiagnostik
Die
Studien des Teams zeigen, wie die Visualisierung des chemischen
Zustands eines aktiven Katalysators in 3D neue Möglichkeiten für die
Material- und Reaktionsdiagnostik eröffnet. „Bisher war es nicht möglich
zu untersuchen, welche Reaktionen in einem beliebig gewählten Teil
eines funktionierenden Katalysators ablaufen, ohne sie zu stören. Nun
können wir genau verfolgen, welche Reaktionen ablaufen, wo und warum",
erklärt Professor Jan-Dierk Grunwaldt vom ITCP. „Dies ist der Schlüssel
zu einem besseren Verständnis der chemischen Prozesse und zur
Entwicklung besserer und effizienterer Katalysatoren in der Zukunft.“
Studien mit der operando-Röntgenspektroskopie lassen sich an
verschiedenen Synchrotronstrahlungsquellen realisieren, sofern eine
geeignete Probenumgebung vorhanden ist. Die Forschungsgruppen von
Jan-Dierk Grunwaldt und Thomas Sheppard werden ihre Untersuchungen im
neuen Sonderforschungsbereich „TrackAct“ am KIT fortsetzen. „TrackAct“
zielt darauf, das Design und die Effizienz von Katalysatoren zur
Emissionskontrolle zu verstehen und zu verbessern.
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (12/2020)
Publikation: Johannes
Becher, Dario Ferreira Sanchez, Dmitry E. Doronkin, Deniz Zengel,
Debora Motta Meira, Sakura Pascarelli, Jan-Dierk Grunwaldt, Thomas L.
Sheppard: Chemical gradients in automotive Cu-SSZ-13 catalysts for NOx
removal revealed by operando X-ray spectrotomography. Nature Catalysis,
2020. DOI: 10.1038/s41929-020-00552-3 Abstract unter https://www.nature.com/articles/s41929-020-00552-3