Ionische Defektlandschaft in Perowskit-Solarzellen enthüllt |
Die Gruppe der Metallhalogenid-Perowskite hat als Werkstoffe in den letzten Jahren den Bereich der Photovoltaik revolutioniert. Metallhalogenid-Perowskite sind grob gesagt kristalline Strukturen, die zwar sehr variabel zusammengesetzt sind, aber trotzdem eine sehr ähnliche Kristallstruktur (nämlich ABX3) aufweisen. Hierbei können A, B und X eine Kombination verschiedener organischer und anorganischer Ionen darstellen. Diese Materialien weisen eine Reihe von Eigenschaften auf, die sich ideal für die Anwendung in Solarzellen eignen und dazu beitragen könnten, optische Bauteile wie Laser, Leuchtdioden (LEDs) oder Photodetektoren wesentlich effizienter zu machen. Mit Blick auf eine ressourcen- und energieeffiziente Technologie ist die Relevanz der Erforschung dieser Materialien sehr hoch.
Zu den besonderen Eigenschaften von Metallhalogenid-Perowskiten
gehören ihr hohes Lichtsammelvermögen und die bemerkenswerte Fähigkeit,
Sonnenenergie effizient in elektrische Energie umzuwandeln. Eine weitere
Besonderheit dieser Perowskite ist, dass sowohl Elektronen als auch
Ionen in ihnen beweglich sind. Während der Elektronentransport ein
grundlegender Prozess ist, der für den photovoltaischen Betrieb der
Solarzelle erforderlich ist, haben ionische Defekte und Ionentransport
oft unerwünschte Konsequenzen auf die Leistungsfähigkeit dieser
Bauteile. Trotz bedeutender Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet
sind noch viele Fragen zur Physik der Ionen in Perowskitmaterialien
offen.
Auf dem Weg zu einem besseren Verständnis dieser
Strukturen sind die Technischen Universitäten in Chemnitz und Dresden
nun einen großen Schritt weitergekommen. In einer gemeinsamen
Untersuchung der Forschungsgruppen um Prof. Dr. Yana Vaynzof (Professur
für Neuartige Elektronik-Technologien am Institut für Angewandte Physik
und Center for Advancing Electronics Dresden – cfaed, TU Dresden) und
Prof. Dr. Carsten Deibel (Optik und Photonik kondensierter Materie, TU
Chemnitz) unter Federführung der TU Chemnitz deckten die beiden Teams
die ionische Defektlandschaft in Metallhalogenid-Perowskiten auf. Dabei
konnten wesentliche Eigenschaften der Ionen, aus denen diese Materialien
bestehen, identifiziert werden. Die Migration der Ionen führt zum
Vorhandensein von Defekten im Material, welche sich negativ auf die
Effizienz und Stabilität von daraus gebauten Solarzellen auswirken. Die
Arbeitsgruppen stellten fest, dass die Bewegung aller beobachteten Ionen
trotz ihrer unterschiedlichen Eigenschaften (wie positive oder negative
Ladung) einem gemeinsamen Transportmechanismus folgt und zudem eine
Zuordnung von Defekten und Ionen ermöglicht. Dies ist als
Meyer-Neldel-Regel bekannt. Die Ergebnisse wurden in der renommierten
Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht (11, 6098
(2020)).
„Die Untersuchung der ionischen Defektlandschaft von
Perowskiten ist keine einfache Aufgabe“, sagt Sebastian Reichert,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Optik und Photonik
kondensierter Materie der TU Chemnitz und Hauptautor der Publikation.
„Wir mussten eine umfangreiche spektroskopische Charakterisierung an
Perowskitproben durchführen, in welche die ionischen Defekte absichtlich
eingebracht und deren Typ und Dichte schrittweise variiert wurden.
Daher war das Fachwissen beider Teams von unschätzbarem Wert“, erklärt
Reichert.
Grundlegende Transportmechanismen aufklären
„Eines
der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist das komplizierte
Wechselspiel zwischen den ionischen und elektronischen Landschaften in
Perowskit-Materialien aufzuklären“, ergänzt Prof. Vaynzof. „Durch die
Veränderung der Dichte der verschiedenen ionischen Defekte in
Perowskitmaterialien beobachten wir, dass die Diffusionsspannung und die
Leerlaufspannung der Bauelemente beeinflusst werden. Dies
unterstreicht, dass das Defekt-Engineering ein mächtiges Werkzeug ist,
um die Leistung von Perowskit-Solarzellen über den aktuellen Stand
hinaus zu steigern.“
Die gemeinsame Untersuchung Studie ergab
auch, dass alle ionischen Defekte die sogenannte „Meyer-Neldel-Regel“
erfüllen. „Dies ist sehr spannend, da es grundlegende Informationen über
den Transportmechanismus von Ionen in Perowskiten offenbart“, sagt
Prof. Deibel. „Wir haben derzeit zwei Hypothesen über den Ursprung
dieser Beobachtung und planen, diese in unseren zukünftigen Studien zu
untersuchen“.
Hintergrund: Kooperation von Chemnitz und Dresden im SPP 2196 der DFG
Die
Forschungsgruppe von Carsten Deibel ist führend auf dem Gebiet der
Impedanz- und transienten Störstellenspektroskopie, leistungsfähigen
Methoden zur Untersuchung von Defekten in Halbleitermaterialien. Die
Gruppe von Yana Vaynzof entwickelte eine Methode die Art und Dichte von
Defekten in Perowskit-Materialien durch gezielte Modifikation der
Stöchiometrie der Lösung, aus der sie abgeschieden werden, zu
beeinflussen und zu kontrollieren. Aus diesen Materialien werden dann
Solarzellen hergestellt, so dass deren spektroskopische
Charakterisierung direkt mit der photovoltaischen Leistung korreliert
werden kann.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.tu-chemnitz.de/tu/pressestelle/aktuell/10458
Quelle: Technische Universität Chemnitz (12/2020)
Publikation: Yana
Vaynzof, Carsten Deibel, Sebastian Reichert et al.: Probing the ionic
defect landscape in halide perovskite solar cells. Nature Communications
volume 11, Article number: 6098 (2020). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-020-19769-8 |