Kleine RNA mit großer Rolle |
Die wichtigsten krankmachenden Faktoren des Magenkeims Helicobacter pylori werden zentral von einem kleinen RNA-Molekül reguliert. Und das ist nicht die einzige Überraschung, für die das Molekül gesorgt hat. Gut die Hälfte der Weltbevölkerung trägt das Bakterium Helicobacter pylori in der Magenschleimhaut. Oft bereitet es lebenslang keinerlei Probleme. Manchmal aber kann es Entzündungen auslösen, in einigen Fällen sogar Magenkrebs.
Mehrere Faktoren können zur Krankheitsentstehung durch dieses weit
verbreitete Bakterium führen. Die wichtigsten davon werden zentral von
einem kleinen RNA-Molekül mit Namen NikS reguliert. Darüber berichtet
das Forschungsteam von Professorin Cynthia Sharma im Journal Molecular
Cell. Die Wissenschaftlerin leitet an der Julius-Maximilians-Universität
(JMU) Würzburg den Lehrstuhl für Molekulare Infektionsbiologie II.
Zu
den von NikS regulierten Zielgenen gehören die zwei wichtigsten
krankheitserregenden Faktoren des Magenkeims und zwei äußere
Membranproteine. Das Forschungsteam konnte insbesondere eine Regulation
des CagA-Proteins zeigen. Das ist ein bakterielles Onkoprotein, dem eine
zentrale Rolle bei der Krebsentstehung durch Helicobacter pylori
zugeschrieben wird. Auch ein Protein mit bislang unbekannter Funktion,
das von Helicobacter in die Umgebung abgegeben wird, steht unter der
Kontrolle von NikS.
Die neuen Erkenntnisse sind für die Medizin
relevant: „Mit dem Wissen über die unterschiedlichen Funktionen dieser
kleinen RNA während der Infektion und die damit verbundenen bakteriellen
Signalwege können wir neue Ansatzpunkte für antimikrobielle Strategien
gewinnen“, erklärt Cynthia Sharma.
Phasenvariation auch bei kleinen RNA-Molekülen
Dass
Helicobacter eine so lebensfeindliche Umgebung wie den Magen so
erfolgreich besiedeln kann, liegt auch an einer speziellen genetischen
Strategie: Helicobacter nutzt, wie auch andere Krankheitserreger, die
sogenannte Phasenvariation, um sich möglichst flexibel an Änderungen
seiner Umgebung anzupassen. Phasenvariation bedeutet, dass die Bakterien
ihre Genexpression nach dem Zufallsprinzip immer wieder verändern.
Sharma
und ihr Team konnten nun erstmals zeigen, dass auch die Expression
einer kleinen RNA wie NikS der Phasenvariation unterliegen kann.
Abhängig von den im Magen herrschenden Bedingungen können dadurch in den
Bakterien unterschiedliche Mengen NikS vorliegen. Diese schwankenden
NikS-Konzentrationen wiederum führen zu einer unterschiedlich
verlaufenden Regulation der krankmachenden Faktoren.
NikS hilft beim Besiedeln der Wirtszellen
„Dieser
Mechanismus könnte maßgeblich dazu beitragen, dass sich der Magenkeim
so erfolgreich anpassen und damit seinen Wirt chronisch kolonisieren
kann“, sagt Sharma. Ihr Team konnte in Experimenten unter anderem
nachweisen, das NikS den Prozess beeinflusst, über den die Bakterien in
ihre Wirtszellen hineingelangen. Außerdem sorgt die kleine RNA dafür,
dass Helicobacter leichter Epithelbarrieren überwinden kann und somit im
Magen besser an die Nährstoffe in tiefer gelegenen Geweben gelangen
könnte.
In weiteren Studien will Sharmas Team nun herausfinden,
wie die kleine RNA zur Kolonisation verschiedener Nischen im Magen
beiträgt und ob sie noch weitere Gene reguliert, die möglicherweise
ebenfalls an den krankheitserregenden Eigenschaften des Bakteriums
beteiligt sind.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/kleine-rna-mit-grosser-rolle-1/
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg (10/2020)
Publikation: Sara
K. Eisenbart, Mona Alzheimer, Sandy R. Pernitzsch, Sascha Dietrich,
Stephanie Stahl, Cynthia M. Sharma: A repeat-associated small RNA
controls the major virulence factors of Helicobacter pylori. Molecular
Cell. 2020, https://doi.org/10.1016/j.molcel.2020.09.009 |