Erstmals weltweiter Phosphorverlust durch Bodenerosion quantifiziert
Phosphor ist für die Landwirtschaft unentbehrlich. Doch weltweit geht dieser wichtige Pflanzennährstoff zunehmend aus den Böden verloren. Hauptursache ist die Bodenerosion, wie ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Basel berichtet. Die Studie im Fachblatt «Nature Communications» zeigt, welche Kontinente und Regionen besonders stark betroffen sind.
Die weltweite Nahrungsmittelproduktion hängt unmittelbar von Phosphor
ab. Dieser Pflanzennährstoff ist jedoch nicht unbegrenzt vorhanden,
sondern stammt aus endlichen geologischen Vorräten. Wie bald diese
Vorräte erschöpft sein könnten, ist Gegenstand von wissenschaftlichen
Debatten. Ebenso brisant ist jedoch die Frage, welche Staaten die
verbleibenden Vorräte besitzen und welche politischen Abhängigkeiten
dadurch entstehen.
Quantifizierung aus hoch aufgelösten Daten
Ein
internationales Forschungsteam um Prof. Dr. Christine Alewell hat
untersucht, welche Kontinente und Regionen weltweit den grössten
Phosphorverlust verzeichnen. Die Forschenden kombinierten dafür räumlich
hoch aufgelöste globale Daten über den Phosphorgehalt der Böden mit den
jeweiligen Erosionsraten. Auf dieser Basis berechneten sie, wie viel
Phosphor durch Erosion in verschiedenen Ländern verloren geht.
Ein
wichtiges Fazit der Untersuchung: Über 50 Prozent des weltweiten
Phosphorverlusts in der Bodenbewirtschaftung gehen auf die Bodenerosion
zurück. «Dass Erosion eine Rolle spielt, war zwar bekannt. Wie gross
diese ist, wurde bisher nie in dieser räumlichen Auflösung beziffert»,
erklärt Alewell. Bisher berichteten Fachleute hauptsächlich über
Verluste durch fehlendes Recycling, Nahrungs- und Futtermittelabfall
sowie generelles Missmanagement der Phosphorressourcen.
Zu wenig im Feld, zu viel im Gewässer
Erosion
spült jeweils den mineralgebundenen Phosphor aus den Ackerböden in
Feuchtgebiete und Gewässer, wo der Überschuss an Nährstoff (sogenannte
Eutrophierung) den dort lebenden Pflanzen- und Tiergemeinschaften
schadet. Über weltweit publizierte Messdaten zum Phosphorgehalt in
Gewässern konnten die Forschenden ihre Berechnungen validieren: Der
erhöhte Phosphorgehalt in Gewässern entspricht in der Grössenordnung
jeweils dem berechneten Phosphorverlust der Böden der jeweiligen Region.
Durch
mineralische Düngung lässt sich der verlorene Phosphor auf den Feldern
zwar ersetzen, wozu aber nicht alle Länder gleichermassen in der Lage
sind. Während Länder wie die Schweiz dank organischen Düngern und
potenziell relativ gut geschlossener Phosphorkreisläufe (siehe Box) in
der Landwirtschaft Lösungen entwickeln können, verzeichnen Afrika,
Osteuropa und Südamerika die grössten Verluste an Phosphor – mit sehr
eingeschränkten Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. «Eigentlich ist
das paradox, da Afrika über die grössten geologischen Phosphorvorkommen
verfügt», so Alewell. «Der dort gewonnene Phosphor wird aber exportiert
und kostet für Landwirte in Ländern Afrikas das Vielfache von dem, was
beispielsweise europäische Bauern dafür bezahlen.» Auch in Osteuropa
sind die Kosten ein entscheidender Faktor bei dieser Problematik.
Während
Südamerika durch organische Düngung und bessere Kreislaufwirtschaft das
Problem in den Griff bekommen könnte, haben Landwirte in Afrika diese
Alternative nicht: Dort gebe es zu wenig Grünfutter und damit auch zu
wenig Viehhaltung, um den Mineraldünger durch Mist und Jauche zu
ersetzen, sagt Alewell.
Wer kontrolliert künftig die Reserven?
Wann
genau der Phosphor für die weltweite Landwirtschaft zur Neige geht, ist
noch unklar. In jüngerer Zeit wurden neue grosse Vorkommen in der
Westsahara und Marokko entdeckt, wobei jedoch fraglich ist, wie leicht
zugänglich diese Vorkommen sind. Zudem bauen China, Russland und die USA
ihren Einfluss in diesen Gebieten zunehmend aus und damit auch über
diese wichtige Ressource für die weltweite Nahrungsmittelproduktion.
Europa hat praktisch keine eigenen Phosphorvorkommen.
«95 Prozent
unserer Nahrungsmittel werden direkt oder indirekt durch das
Pflanzenwachstum auf Böden produziert. Der schleichende Verlust des
Pflanzennährstoffs Phosphor betrifft daher alle Menschen und
Gesellschaften», betont Alewell. Wenn Länder ihre Unabhängigkeit von
jenen Staaten sichern wollen, die über die verbliebenen grossen Vorräte
verfügen, müssen sie darauf abzielen, Phosphorverluste ihrer Böden zu
minimieren.
Eine drastische Reduktion von Bodenerosion ist dabei
ein wichtiger und grosser Schritt in die richtige Richtung. Landwirte
können Erosion vermindern, indem sie auf möglichst lange Bodenbedeckung
beispielsweise durch Mulchen, Gründüngung und Zwischensaat achten, sowie
auf eine der Topografie angepasste Bewirtschaftung, beispielsweise
Feldbearbeitung quer zum Hang oder Terrassierung.
Kontext: Nährstoff-Kreisläufe im Boden
Nährstoffe
wie Phosphor befinden sich in der Natur in einem ständigen Kreislauf
der Aufnahme aus dem Boden durch Pflanzen und der Rückkehr in den Boden:
Bodenorganismen zersetzen abgestorbenes pflanzliches Material oder auch
die Exkremente von Pflanzenfressern und machen die darin enthaltenden
Nährstoffe wieder verfügbar. Da jedoch Feldfrüchte abgeerntet und die
abgestorbenen Pflanzen nicht auf dem Acker zersetzt werden, entzieht der
Landbau dem Boden nach und nach die Nährstoffe. Hinzu kommt der
Phosphorverlust durch Bodenerosion.
Ersetzt werden kann Phosphor
durch mineralischen (aus geologischen Ablagerungen) oder organischen
Dünger oder durch den weitaus langsameren Prozess der Verwitterung aus
Gesteinen. Organische Düngung durch Mist und Jauche trägt dazu bei, den
Kreislauf zu schliessen, kehrt doch der Phosphor aus dem verdauten
Pflanzenmaterial wieder in den Boden zurück.
Publikation: Christine Alewell, Bruno Ringeval, Cristiano Ballabio, David A. Robinson, Panos Panagos, Pasquale Borrelli Phosphorus shortage will be aggravated by soil erosion in Europe, Africa and South America Nature Communications (2020), doi: 10.1038/s41467-020-18326-7