Luftverschmutzung macht Blütenduft für Falter unattraktiv
Ein Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie und der Universität Virginia, USA, ist der Frage nachgegangen, wie sich Luftverschmutzung und hohe Ozonwerte auf die chemische Kommunikation zwischen Blüten und Bestäubern auswirken. Sie zeigten, dass Tabakschwärmer den Duft ihrer ansonsten bevorzugten Blüten nicht mehr mögen, wenn er durch Ozon verändert worden war. Das giftige Oxidationsmittel stört damit die Wechselwirkung zwischen einer Pflanze und ihrem Bestäuber, die sich über Millionen von Jahren im Laufe der Evolution entwickelt hat. Allerdings sind die Falter in der Lage schnell zu lernen, dass auch weniger angenehm duftende Blüten nahrhaften Nektar verheißen können.
Bestäubung im Anthropozän
Bestäubung ist eine
entscheidende Ökosystemdienstleistung, die überwiegend von Insekten
übernommen wird. Angelockt werden sie auch vom Duft der Blüten, einem
chemischen Signal, für das die jeweiligen Bestäuber eine angeborene
Vorliebe haben. Diese Vorliebe ist das Resultat der Ko-Evolution von
Blüten und ihren Bestäubern und hat sich über Millionen von Jahren
herausgebildet.
Seit etwa 20 Jahren wird in der Wissenschaft der
Begriff „Anthropozän“ für die erdgeschichtliche Epoche verwendet, in der
der Mensch für viele Veränderungen biologischer und atmosphärischer
Prozesse verantwortlich zeichnet. Wenig ist jedoch bisher darüber
bekannt, wie sich vom Menschen verursachte Klimaveränderungen und
Verschmutzungen der Atmosphäre auf natürliche Umweltdüfte und somit auch
auf die chemische Kommunikation zwischen Lebewesen auswirken.
Ein
Team von Forschenden des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie
und der Universität Virginia ist daher jetzt der Frage nachgegangen, ob
vom Menschen verursachte hohe Ozon-Konzentrationen in der Luft Einfluss
darauf haben, wie attraktiv bestäubende Falter den Duft einer ihrer
Lieblingsblüten finden. Ozon ist ein Oxidationsmittel, eine
hochreaktive, schadstoffhaltige Chemikalie, von der bekannt ist, dass
sie beim Menschen Atemwegserkrankungen verursacht. Ozon verändert aber
auch den Duft, den Blüten abgeben, um ihre Bestäuber anzulocken.
Für
ihre Experimente verwendeten die Wissenschaftler Tabakschwärmer der Art
Manduca sexta. „Der Tabakschwärmer ist das perfekte Modellinsekt für
unser Studie. Obwohl der Falter von Blütendüften angelockt wird, nutzt
er auch sichtbare Signale für das Aufspüren von Blüten. Blüten, die
Tabakschwärmer attraktiv finden, haben meist die gleichen chemischen
Verbindungen in ihrem Blütenduft und sind aufgrund ihrer hellweißen
Farbe auch visuell sehr auffällig,“ sagt Studienleiter Markus Knaden,
der in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut
eine Arbeitsgruppe leitet.
Das Forschungsteam ermittelte zunächst
die genauen Zusammensetzungen der Blütendüfte mit und ohne erhöhten
Ozongehalt und die jeweiligen Konzentrationen einzelner Duftkomponenten
mittels Gaschromatographie. Für die durch Ozon verunreinigten Düfte
verwendeten die Wissenschaftler Ozon-Konzentrationen, die heute an
heißen Tagen im natürlichen Lebensraum der Tabakschwärmer gemessen
werden können. Die Reaktionen der Falter testeten sie in
Verhaltensexperimenten im Windtunnel, wo die Insekten in einem
Wahlversuch dem Originalblütenduft und dem durch Ozon veränderten
Duftgemisch ausgesetzt wurden. „Wir waren überrascht, ja sogar
schockiert, dass die Falter ihre angeborene Vorliebe für den Duft der
Tabakblüten in Anwesenheit von Ozon völlig verloren hatten,“ beschreibt
Markus Knaden die Beobachtungen bei diesen Experimenten.
Tabakschwärmer sind lernfähig
Die
Frage war nun, ob sich hungrige Tabakschwärmer auf der Nahrungssuche
durch Ozon in der Luft den Appetit verderben lassen oder ihre
Nahrungsquelle gar nicht mehr finden. Würden sie in der Lage sein zu
lernen, dass auch verunreinigte Blütendüfte eine süße Belohnung
verheißen? Dafür testeten die Forschenden, ob Tabakschwärmer einen
anfangs unattraktiven Duft als Nahrungshinweis erlernen können, wenn sie
ihn riechen, während ihnen gleichzeitig Zuckerlösung verabreicht wird.
Sie bezogen dabei mehrere verschiedene Möglichkeiten, wie die Falter
lernen können, Blüten anhand des ozonveränderten Dufts zu erkennen, in
ihre Untersuchungen mit ein. Dies war entscheidend, um die Experimente
mit dem Lernen in der realen Welt in Verbindung zu bringen. Um
herauszufinden, ob Tabakschwärmer auch dann veränderte Blütendüfte
lernen können, wenn sie von der Belohnung an der Blüte entkoppelt sind,
entwickelten die Wissenschaftler ein Experiment, bei dem die Falter dem
durch Ozon veränderten Duft zur Blüte folgen mussten. An der Blüte
selbst, die eine Zuckerlösung als Belohnung enthielt, wurde ihnen der
Originalduft ohne Veränderungen durch Ozon präsentiert. „Wir hatten
zwar erwartet, dass die Falter einen neuen Blütenduft lernen würden,
aber dass sie den mit Ozon verunreinigten Duft in einer Reihe
verschiedener Versuche lernen würden, auch wenn er nicht direkt an die
Belohnung gekoppelt ist, hat uns ziemlich erstaunt. Das Verhalten, das
wir bei den Tabakschwärmern beobachten konnten, zeigt, dass sie neue
Reize schnell lernen können, um mit ihrer sich rapide verändernden
Umwelt zurechtzukommen,“ sagt Erstautorin Brynn Cook von der Universität
Virginia. Besonders bemerkenswert an dieser Art der Reaktion auf ein
sich veränderndes Umfeld ist, dass sie in Echtzeit erfolgt und nicht
über einen Evolutionsprozess.
Lernfähigkeit der Tabakschwärmer bedeutet keine Entwarnung
Auch
wenn die Studie zeigt, dass Tabakschwärmer durch Ozon veränderte und
anfänglich unattraktive Blütendüfte lernen können, um ihre Blüten zu
finden, heißt das nicht, dass Luftverschmutzung keine ernsthafte Gefahr
für Bestäubung und Bestäuber darstellt. „Lernen kann zwar ein Schlüssel
dafür sein, dass Insekten trotz Luftverschmutzung oder veränderter
klimatischer Bedingungen ihre Wirtspflanzen erkennen. Eine Frage, die
wir nicht beantworten können, ist jedoch, inwieweit Bestäuber in der
Natur überhaupt noch ihre Blüten finden können, um durch Ozon veränderte
Blütendüfte zu lernen. Andere Bestäuber sind womöglich weniger
lernfähig als Tabakschwärmer. Auf bestimmte Blüten spezialisierte
Bestäuber sind möglicherweise beim Lernen nicht so flexibel. Unsere
Studie ist nur ein Ausgangspunkt. Jetzt brauchen wir vor allem
Feldstudien, um die kritischen Fragen zu beantworten, welche Blüten und
Insekten von welchen Schadstoffen am meisten betroffen sind und warum,“
sagt Brynn Cook.
Luftverschmutzung und Klimaveränderungen haben
weitreichende Folgen für unser Ökosystem, die längst noch nicht alle
untersucht wurden und verstanden werden. So wissen wir nach wie vor
wenig über die Auswirkungen atmosphärischer Veränderungen auf die
chemische Kommunikation zwischen Pflanzen und Insekten. Nicht nur
Blütendüfte werden dadurch verändert, auch Sexuallockstoffe, mit denen
Insektenweibchen ihre Männchen anlocken, können durch atmosphärische
Veränderungen verfälscht werden und zum Ausbleiben der Paarung führen.
Das Insektensterben hat in den letzten Jahren dramatische Ausmaße
angenommen. Forschende weltweit sind auf der Suche nach den Ursachen.
Diesem Forschungsgebiet widmet sich seit diesem Jahr auch das Max Planck
Center next Generation Insect Chemical Ecology, eine Kooperation der
Max-Planck-Gesellschaft mit zwei schwedischen Universitäten, an der auch
das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und die Koautoren dieser
Studie, Bill Hansson und Markus Knaden, maßgeblich beteiligt sind.
Quelle: Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (09/2020)
Publikation: Cook,
B., Haverkamp, A., Hansson, B.S., Roulston, T., Lerdau, M., Knaden, M.
(2020). Pollination in the Anthropocene: a Moth can Learn Ozone-altered
Floral Blends, Journal of Chemical Ecology, DOI:
10.1007/s10886-020-01211-4 https://doi.org/10.1007/s10886-020-01211-4