Abwehrmechanismus im Speichel stoppt Zika-Virus, aber nicht SARS-CoV-2 |
Ob Küssen während der Coronavirus-Pandemie zum Risikoverhalten wird, haben Virologinnen und Virologen der Ulmer Universitätsmedizin untersucht. In einer aktuellen Studie erforschen sie, inwiefern das Zika-Virus und das neue Coronavirus (SARS-CoV-2) über Speichel von Mensch zu Mensch weitergegeben werden können. Für das Zika-Virus haben die Forschenden einen neuen Abwehrmechanismus entdeckt, der eine Infektion verhindern kann. Auf die Ansteckungsgefahr mit SARS-CoV-2 hat diese Speichelkomponente hingegen keine Auswirkungen.
Können das neue Coronavirus oder der Zika-Erreger beim Küssen
übertragen werden? Tatsächlich lassen sich beide Viren in großen Mengen
im Speichel nachweisen. Ob sie auch über diese Körperflüssigkeit von
Mensch zu Mensch weitergegeben werden, haben Ulmer Virologinnen und
Virologen in einer aktuellen Studie untersucht. Dabei entdeckten sie
einen neuen Abwehrmechanismus im Speichel, der eine Ansteckung mit dem
Zika-Virus verhindern kann. Auf das Infektionsrisiko mit dem neuartigen
Coronavirus (SARS-CoV-2) hat diese Speichelkomponente allerdings keinen
Einfluss.
Wie verbreiten sich neu aufkommende Viren von Mensch zu
Mensch? Diese Frage stellen sich Forschende des Ulmer Instituts für
Molekulare Virologie sowohl für das Zika-Virus als auch für das neue
Coronavirus. Als Zoonosen sind beide Erreger in der jüngeren
Vergangenheit von Tieren auf den Menschen übergegangen. SARS-CoV-2
verbreitet sich seither vor allem durch Tröpfcheninfektion und Aerosole.
Hauptüberträger des Zika-Virus sind hingegen Gelbfiebermücken, es
wurden jedoch auch Übertragungen von Mensch zu Mensch durch
Geschlechtsverkehr berichtet. In früheren Studien konnten die
Virologinnen und Virologen der Ulmer Universitätsmedizin bereits zeigen,
dass sogenannte extrazelluläre Vesikel in der menschlichen
Samenflüssigkeit diesen Übertragungsweg für Zika-Viren und verwandte
Erreger hemmen. Ob solche körpereigenen Abwehrmechanismen auch bei der
Speichelübertragung des Zika-Erregers oder des neuen Coronavirus aktiv
sind, untersuchen Forschende um Professor Jan Münch, Dr. Janis Müller,
Rüdiger Groß und Carina Conzelmann in ihrem jetzt erschienenen
Fachbeitrag.
In Laborexperimenten haben die Autoren menschlichen
Speichel mit dem jeweiligen Virus (SARS-CoV-2 oder Zika-Virus)
zusammengebracht. Anschließend wurden Zelllinien sowie primäre
Mundschleimhautzellen diesen Gemischen ausgesetzt. Um eine Infektion mit
dem jeweiligen Erreger nachzuweisen, haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler die Menge der Viren in den Zellen gemessen – mit
gegensätzlichen Ergebnissen. Sie fanden nämlich heraus, dass eine
Zika-Virus-Infektion bei hoher Speichelkonzentration nahezu
ausgeschlossen ist. Für SARS-CoV-2 konnte dieser Effekt nicht
nachgewiesen werden. Die eigentliche Herausforderung bestand jedoch
in der Identifikation der Speichelkomponente, die eine
Zika-Virus-Übertragung verhindert. Aufgrund ihrer früheren
Forschungsergebnisse in Spermaproben lag das besondere Augenmerk der
Gruppe auf extrazellulären Vesikeln. „Mithilfe hochspezialisierter
Methoden mussten die Vesikel aus dem Speichel aufgereinigt werden.
Anschließend konnten wir ihre Zahl, Größe, Identität und antivirale
Aktivität bestimmen“, erklärt Dr. Janis Müller, der diese Analysen bei
einem Gastaufenthalt am renommierten Karolinska Institut in Stockholm
durchgeführt hat.
Insgesamt zeigen die Virologinnen und
Virologen, dass das Zika-Virus in der Lage ist, Zellen der
Mundschleimhaut zu infizieren. Allerdings wird eine Infektion – ähnlich
wie in menschlichem Sperma – durch die körpereigenen extrazellulären
Vesikel im Speichel gehemmt. „Die Vesikel sorgen dafür, dass das
Zika-Virus nicht an die Zielzelle andocken und diese infizieren kann“,
erklären die Erstautoren Carina Conzelmann und Rüdiger Groß. Auf eine
Infektion mit dem neuartigen Coronavirus hat dieser Abwehrmechanismus
jedoch keinen Einfluss. Demnach scheint die Speichelübertragung beim
Zika-Virus keine große Rolle zu spielen, möglicherweise aber bei
SARS-CoV-2.
Somit haben die Virenforscherinnen und -forscher mit
extrazellulären Vesikeln eine neue Komponente des menschlichen
Immunsystems identifiziert, die ihre Wirkung offenbar in verschiedenen
Körperflüssigkeiten entfaltet. Dieser Schutzmechanismus scheint sich
spezifisch gegen Eigenschaften von Flaviviren (Zika-Virus, Dengue-Virus,
West-Nil-Virus) zu richten. In weiteren Untersuchungen wollen die
Forschenden ergründen, worauf dieser Abwehrmechanismus beruht.
Das
Ergebnis der aktuellen Studie im „Journal of Extracellular Vesicles“
untermauert Berichte, wonach keine Übertragungen des Zika-Virus durchs
Küssen bekannt sind – obwohl das infektiöse Virus im Speichel von
Infizierten nachweisbar ist. Beim Verdacht einer Coronavirus-Infektion
raten die Forschenden jedoch vom Küssen ab.
Die Untersuchungen
sind im Zuge des Projekts Fight-nCoV zur Identifizierung antiviraler
Wirkstoffe gegen SARS-CoV-2 sowie des Sonderforschungsbereichs 1279
(„Nutzung des menschlichen Peptidoms zur Entwicklung neuer
antimikrobieller und anti-Krebs Therapeutika“) gefördert worden. Dr.
Janis Müller wurde zudem durch das „Eliteprogramm für Postdoktorandinnen
und -doktoranden der Baden-Württemberg Stiftung“ zum Thema „Übertragung
des Zika-Virus“ unterstützt sowie über seinen DFG-Erstantrag zur
Erforschung von antiviralen Eigenschaften in Körperflüssigkeiten.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-ulm.de/home/uni-aktuell/article/abwehrmechanismus-im-speichel/
Quelle: Universität Ulm (08/2020)
Publikation: Carina
Conzelmann, Rüdiger Groß, Min Zou, Franziska Krüger, André Görgens,
Manuela O. Gustafsson, Samir El Andaloussi, Jan Münch and Janis A.
Müller: Salivary extracellular vesicles inhibit Zika virus but not
SARS-CoV-2 infection. JOURNAL OF EXTRACELLULAR VESICLES 2020, VOL. 09,
1808281 https://doi.org/10.1080/20013078.2020.1808281
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