Verklebungen von Proteinen mit DNA gehören zu den gefährlichsten DNA-Schäden. LMU-Wissenschaftler haben aufgeklärt, wie ein Reparaturenzym diese Defekte erkennt und sicherstellt, dass nur fehlerhafte Stellen repariert werden.
Schäden am Erbmolekül DNA können für die Zelle und den ganzen Organismus schwerwiegende Folgen haben. Deshalb sind die effiziente Identifizierung und Reparatur solcher Schäden für den Organismus lebenswichtig. Besonders gefährliche DNA-Schädigungen sind sogenannte DNA-Protein-Crosslinks, die entstehen, wenn Proteine mit der DNA verkleben. Ein bestimmtes Enzym – die Protease SPRTN – schützt davor, indem es das verklebte Protein wieder abschneidet.
Wie die Zelle allerdings sicherstellt, dass nur verklebte Proteine
entfernt werden und alle anderen unversehrt bleiben, war bisher unklar.
Ein Team um Professor Julian Stingele vom Genzentrum der LMU hat nun in
Kooperation mit Professor Michael Sattler (Helmholtz Zentrum München und
Technische Universität München) gezeigt, dass das Enzym dafür ein
modulares Erkennungssystem nutzt, das nur in relevanten Szenarien
aktiviert wird. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im
Fachmagazin Molecular Cell.
DNA-Protein-Crosslinks (DPCs) können
durch verschiedene reaktive Stoffwechselprodukte und Chemotherapeutika
hervorgerufen werden. Sie sind hoch toxisch, weil sie die Prozessierung
der DNA – und damit unter anderem die Zellteilung – blockieren. Ihre
Reparatur durch SPRTN ist für die Lebensfähigkeit der Zellen und die
Unterdrückung von Tumoren essenziell: Patienten, bei denen Mutationen
die Aktivität des Enzyms reduzieren, leiden beispielsweise unter
Leberkrebs in sehr jungen Jahren und vorzeitigem Altern. „Dabei hat
SPRTN eine sehr herausfordernde Aufgabe, weil DPCs je nach beteiligtem
Protein und verklebter DNA-Stelle unterschiedlich sein können. Es muss
also viele verschiedene Strukturen als fehlerhaft identifizieren“, sagt
Hannah Reinking, Erstautorin der Studie. „Wir haben uns gefragt, welche
Eigenschaften ein DPC haben muss, um erkannt und geschnitten zu werden.“
Diese
Fragen konnten die Wissenschaftler nun mithilfe von Modellsubstraten
beantworten, bei denen sie Proteine an definierten Stellen mit im
Reagenzglas generierten DNA-Strukturen verklebten. Dabei fanden sie,
dass SPRTN bestimmte Strukturen erkennt, die häufig in der direkten Nähe
von DPCs existieren. Mithilfe von Kernspinresonanzspektroskopie deckten
die Forscher auf, dass SPRTN zwei Erkennungsdomänen besitzt, von denen
eine an doppelsträngige, die andere aber an einzelsträngige DNA bindet.
„Es ist also ein modulares Erkennungssystem: Erst wenn beide Domänen
gebunden sind, wird das Enzym aktiv - und DNA, die sowohl
doppelsträngige als auch einzelsträngige Regionen hat, findet sich oft
in der Nähe von Crosslinks“, sagt Stingele.
Diese Ergebnisse sind
auch medizinisch relevant: Viele Chemotherapeutika wirken, indem sie
Crosslinks hervorrufen. Da sich Tumorzellen sehr häufig teilen, sind sie
für diese Schäden besonders anfällig. DNA-Reparaturenzyme wie SPRTN
sind deshalb vielversprechende Ziele für neue Therapeutika in der
personalisierten Krebstherapie. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten
Wirkstoffe, die SPRTN hemmen, möglicherweise eingesetzt werden, um
Chemotherapien effektiver zu machen. „Unsere Arbeit erlaubt nun die
Konzeptualisierung solcher neuen therapeutischer Strategien“, sagt
Stingele.
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München (08/2020)
Publikation: DNA Structure-Specific Cleavage of DNA-Protein Crosslinks by the SPRTN Protease Hannah
K. Reinking, Hyun-Seo Kang, Maximilian J. Götz, Hao-Yi Li, Anja Kieser,
Shubo Zhao, Aleida C. Acampora, Pedro Weickert, Evelyn Fessler, Lucas
T. Jae, Michael Sattler, and Julian Stingele Molecular Cell 2020 https://www.cell.com/molecular-cell/fulltext/S1097-2765(20)30546-3