Seit mehr als einem halben Jahrhundert gilt Platin als einer der besten Katalysatoren für die Reduktion von Sauerstoff zu Wasser, eine der Schlüsselreaktionen an den Elektroden von Brennstoffzellen. Es ist jedoch schwierig, den Katalysator über einen längeren Zeitraum reaktiv und stabil genug zu halten, um Wasserstofftechnologien flächendeckend in Fahrzeugen einsetzen zu können. Grund hierfür ist vor allem, dass sich die Platinpartikel auf den Elektroden mit der Zeit auflösen. Einem internationalen Forschungsteam unter Leitung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es jetzt gelungen, diesen Auflösungsprozess auf atomarer Ebene darzustellen. Die Erkenntnisse über die einzelnen Atombewegungen könnten dazu beitragen, die Stabilität von Platinkatalysatoren in Zukunft zu verbessern.
„Wir wollten herausfinden, warum und wie sich das Platin auflöst“,
sagt Olaf Magnussen, Professor für Festkörperphysik an der CAU und
Leiter des Forschungsteams. „Mit unseren Untersuchungen haben wir ein
Bild auf atomarer Ebene gewonnen, um diesen Vorgang zu erklären.“
Beteiligt waren außer den Kieler Forschenden auch Arbeitsgruppen der
europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF (European Synchrotron
Radiation Facility), der Universität Victoria in Kanada, der Universität
Barcelona und des Forschungszentrums Jülich.
An der
ESRF-Beamline ID31 in Grenoble, Frankreich, untersuchte das
Forschungsteam verschiedene Facetten von Platinelektroden in
Elektrolytlösung mit extrem intensiver Röntgenstrahlung. Auf diese Weise
fanden sie heraus, wie sich die Atome während der Oxidationsprozesse an
der Platinoberfläche anordnen sowie bewegen und wie sich dadurch das
Platin auflöst. „Mit diesem Wissen ist es vorstellbar, gezielt
Nanopartikel mit bestimmter Form und Oberflächenanordnung zu entwickeln,
um so die Stabilität des Katalysators zu verbessern“, erklärt Dr. Jakub
Drnec, Wissenschaftler an der Beamline ID31 und Mitautor der Studie.
„Wenn wir die Bewegung der Atome kennen, können wir spezielle Additive
einsetzen, um unerwünschte Atombewegungen zu unterdrücken“, so Drnec
weiter.
Die Ergebnisse lassen sich in technologische Anwendungen
übertragen, weil die Experimente unter elektrochemischen Bedingungen
stattfanden, ähnlich wie in echten Brennstoffzellen. „Während der
Oxidation verändert sich die Platinoberfläche der Elektroden sehr
schnell. Das zu messen, war nur möglich durch eine neue, sehr schnelle
Technik zur Charakterisierung der Oberflächenstruktur“, erklärt Timo
Fuchs, Doktorand an der CAU und Erstautor der Studie. Diese Methode, die
sogenannte Hochenergie-Oberflächenröntgenbeugung, wurde an der ESRF von
dem Forscherteam mitentwickelt. „Es ist die einzige Technik, die die
Bewegung von Atomen unter solchen Bedingungen abbilden kann – das
konnten wir hier zum ersten Mal zeigen“, fügt Fuchs hinzu.
Um
diese Auflösungsprozesse zu verstehen, wurden parallel zu den
Röntgenexperimenten hochempfindliche Messungen am Forschungszentrum
Jülich und aufwendige Computersimulationen an der Universität Barcelona
durchgeführt. „Nur eine solche Kombination verschiedener
Charakterisierungstechniken und theoretischer Berechnungen liefert ein
vollständiges Bild davon, wie sich Atome in einem Platinkatalysator auf
der Nanoebene verhalten“, sagt Dr. Federico Calle-Vallejo von der
Universität Barcelona, der für die Simulationen verantwortlich war.
Im
nächsten Schritt möchte das Forschungsteam die Mechanismen der
Platinauflösung noch detaillierter erforschen, zum Beispiel indem sie
Platinfacetten untersuchen, die Ecken und Kanten von Katalysepartikeln
repräsentieren. Auf dieser Basis könnten dann in Zukunft
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezielt langlebigere
Katalysatoren entwickeln.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (08/2020)
Publikation: Fuchs,
T. et al, Structure dependency of the atomic-scale mechanisms of
platinum electro-oxidation and dissolution, Nature Catalysis, 24 August
2020. DOI: 10.1038/s41929-020-0497-y https://www.nature.com/articles/s41929-020-0497-y