Humane zellbasierte Testsysteme für Toxizitätsstudien: Ready-to-use Tox-Assay (hiPS) |
Seit Anfang 2020 koordiniert das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT das von EIT Health geförderte Projekt »R2U-Tox-Assay: Ready-to-use Toxicity Screening Assay based on iPS-Technologies«. Ziel hierbei ist es, innovative Toxizitätsassays für die Wirkstoffforschung zu entwickeln, die auf humanen Zellsystemen basieren. Dadurch sollen in präklinischen Phasen unerwünschte Nebenwirkungen von Wirkstoffkandidaten besser vorhergesagt sowie Tierversuche in der Pharmazieforschung reduziert werden.
Leider gehören in pharmazeutischen Studien oft Nebenwirkungen von
Wirkstoffen zum Alltag. Als Folge können schwerwiegende Komplikationen
in täglichen klinischen Routinen entstehen. Toxische Effekte,
insbesondere im kardialen und neuronalen Bereich, sind Hauptursachen
dafür, dass zunächst vielversprechende Wirkstoffe in späten
präklinischen Studien oder gar nach der Marktzulassung zurückgezogen
werden müssen. Stand der Technik in der Wirkstoffforschung sind nach wie
vor In-vitro-Zellkulturmodelle, die auf tierischen Zellen basieren oder
In-vivo-Tierversuche. Beide Systeme lassen sich meist nur unzureichend
auf das menschliche System übertragen, so dass Nebenwirkungen erst spät
entdeckt werden und sowohl ökonomische als auch gesundheitliche Schäden
zur Folge haben. Daher besteht ein dringender Bedarf an signifikanten
Testsystemen, die eine zuverlässige Vorhersage möglicher
medikamenteninduzierter Toxizitäten beim Menschen erlauben.
Einsatz spezialisierter Zelltypen aus patientenspezifischen Stammzellen
Die
Entdeckung der humanen induziert pluripotenten Stammzellen
(hiPS-Zellen) mit ihrem einzigartigen Potenzial der unbegrenzten
Selbstreplikation sowie ihrer Möglichkeit, in fast alle Zelltypen eines
menschlichen Körpers differenzieren zu können, führte zu großen
technischen Fortschritten im Bereich humaner zellbasierter
Toxizitätsstudien. Dieses Zellsystem kann z. B. aus Hautbiopsien von
Erwachsenen etabliert und dann in verschiedene Zelltypen, z. B.
Herzmuskel- oder Nervenzellen, differenziert werden. Dadurch können
einfach aber gezielt ganze Patientengruppen im Labor abgebildet und die
für Toxizitätsstudien relevanten Zelltypen erzeugt werden. Aktuell sind
jedoch die Abläufe in der Arbeit mit diesen Zellsystemen noch durch
notwendiges großes praktisches Expertenwissen und hohen Zeitaufwand
gekennzeichnet. Auch müssen diese »Assays« auf Bedarf produziert werden,
sind nur in einem sehr begrenzten Zeitrahmen von wenigen Tagen lagerbar
und in ihrem physiologischen Zustand nicht transportabel.
Konventionelle kryobiologische Prozesse, d. h. das kontrollierte
Abkühlen biologischer Proben unterhalb des Gefrierpunkts, sind bereits
für Einzelzellen in Suspension etabliert. Sie lassen sich aber für die
Assay-relevanten spezifischen Zelltypen Kardiomyozyten und Neurone, die
auf Oberflächen wachsen und nur so ihre Funktionalität ausbilden, nicht
anwenden.
Fraunhofer IBMT-Expertise: Anwendungsorientierte Kryokonservierung durch Vitrifikation
Das
Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT besitzt
jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Kryobiotechnologie und des
Biobankings. Im Rahmen des Verbundprojekts »R2U-Tox-Assay« hat das
Fraunhofer IBMT die Aufgabe übernommen, funktionelle Kardiomyozyten und
Neurone aus hiPS-Zellen in skalierbaren Prozessen zu erzeugen und in
standardisierten Laborgefäßformaten für Hochdurchsatzscreenings
einzufrieren. Die Funktionalität dieser Zellen wird durch ihren Kontakt
mit speziell beschichteten Oberflächen gewährleitet, der auch während
des Abkühlvorgangs aufrechterhalten werden muss. Durch ultrahohe
Kühlraten und einen speziellen Cocktail aus Gefrierschutzmittel werden
kryogene Temperaturen unterhalb von 140 °C erreicht, ohne dass
potenziell schädigende Eiskristalle innerhalb der Probe entstehen. In
diesem Temperaturbereich sind die Proben zeitlich unbegrenzt lager- und
transportfähig. Unmittelbar nach dem Auftauen sind sie in
standardisierten Assays einsetzbar ohne die zeitlich aufwändigen
Erholungsphasen, die eine konventionelle Kryokonservierung mit sich
bringt.
Die drei beteiligten Verbundpartner kombinieren in
»R2U-Tox-Assay« ihre jeweiligen Expertisen. Das Fraunhofer IBMT
koordiniert das Projekt und übernimmt insbesondere die Aufgaben,
signifikante humane Zellsysteme herzustellen sowie diese in
anwendungsorientierten Formaten einzufrieren. Janssen Pharmaceutica
N.V., Teil der Janssen Pharmaceutical Companies von Johnson &
Johnson, validiert die entwickelten Testsysteme im pharmazeutischen
Umfeld in bereits etablierten Wirkstoffscreenings. Das Institute for
Bioengineering of Catalonia etabliert geneditierte sogenannte
Reporterzelllinien, die eine schnellere Analyse potenziell toxischer
Effekte innerhalb des Zellsystems zulassen.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.ibmt.fraunhofer.de/de/ibmt-presse-uebersicht-2020/presse-EIT-Health-R2U-Tox-Assay-2020-08-05.html
Quelle: Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT (08/2020) |