Auswirkungen von Mikroplastik im Boden auf das Ökosystem: Forschung geht in eine neue Phase |
Ökologinnen und Ökologen der Freien Universität Berlin untersuchen und bewerten die Auswirkungen von Mikroplastik in Böden auf terrestrische Ökosysteme. Prof. Dr. Matthias Rillig und Dr. Anika Lehmann geben in einer Publikation der Fachzeitschrift Sciene einen Ausblick zu den Forschungsanstrengungen zu diesem Faktor des globalen Wandels. „Die wissenschaftliche Arbeit zu Mikroplastik (< 5 mm) im Boden hat ungefähr zehn Jahre später begonnen als die Beschäftigung mit diesen Plastik-Partikeln im Meer, wo sie eine offensichtlichere Erscheinung sind – und wo auch Nachweismethoden verhältnismäßig einfacher anzuwenden sind“, erklärt Prof. Dr. Matthias Rillig.
In ihrer Studie argumentieren er und Koautorin Annika Lehmann, dass man
verstärkt Auswirkungen auf das Erdsystem im Blick haben müsse. Viele
der Effekte von Mikroplastik im Boden könnten Prozesse verändern, die
sich auf das Erdsystem auswirken können: Veränderungen von
Treibhausgasemissionen aus dem Boden und Veränderung der
Primärproduktion von Pflanzen sind die vielleicht wichtigsten
Komponenten. Um diese Konsequenzen zu erfassen, seien grundsätzlich
andere Experimente notwendig: Ansätze im Feld mit komplexen
Lebensgemeinschaften und eine breit aufgestellte internationale
Kooperation.
„Die Erforschung von Mikroplastik in der Umwelt hat
mit einem typisch ökotoxikologischen Ansatz begonnen, also mit
Experimenten zu möglichen toxischen Effekten auf Organismen im Boden“,
erklärt Rillig. Diese Arbeiten wurden unter kontrollierten Bedingungen
ausgeführt und oft auch an einzelnen Modellorganismen. Spätere Arbeiten
(seit 2017) hätten vermehrt Prozessen im Boden unter die Lupe genommen,
zum Beispiel Bodenaggregation, und daher verstärkt einen Ökosystemansatz
verfolgt. Dabei werde Mikroplastik zunehmend als Faktor des globalen
Wandels verstanden anstatt als ein primär toxikologisches Problem. „Es
hat eine Weile gedauert, auch in unserem Labor die Perspektive
umzustellen: Das hatte aber wichtige Folgen, denn dadurch baut man
Studien anders auf und stellt andere Fragen“, sagt Rillig. Auch sei es
unter dem Ansatz des globalen Wandels einfacher, nominell positive
Messergebnisse einzuordnen. So seien Auswirkungen von Mikroplastik oft
mit einem positiven Ergebnis verbunden, zum Beispiel dass Pflanzen durch
eine Lockerung des Bodens besser wachsen. Trotzdem müsse man auch
solche positiven Effekte im Licht der Veränderungen infolge von
Mikroplastik interpretieren; und solche Veränderungen seien dann als
eine unerwünschte Transformation zu interpretieren. „So kam es zum
Beispiel in einem Gewächshausexperiment in unsrem Labor zu einer
Verschiebung in der Lebensgemeinschaft von Pflanzen mit Mikroplastik,
bei gleichzeitig höherer Gesamtbiomasse der Pflanzen“, erklärt Rillig;
es hatte sich also die relative Häufigkeit von Pflanzenarten verschoben
infolge der Mikroplastik-Behandlung des Bodens.
Das Team um
Professor Rillig hofft, dass durch den Schwenk im Forschungsschwerpunkt
wichtige mögliche Effekte von Mikroplastik entdeckt würden. „Gerade vor
dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie, die vielleicht zu einem etwas
unbesorgteren Umgang mit Einwegplastik geführt hat, ist es wichtig, sich
immer wieder zu vergegenwärtigen, dass mit dem globalen Wandel eine
sehr große Herausforderung auf uns zukommt und schon da ist.“
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2020/fup_20_109-mikroplastik-boden/index.html
Quelle: Freie Universität Berlin (06/2020)
Publikation: Rillig MC, Lehmann A. (2020): „Microplastic in terrestrial ecosystems“, in: Science, DOI: 10.1126/science.abb5979 |