Antidepressivum hemmt Coronavirus |
Ein gängiges Medikament gegen Depressionen bietet sich möglicherweise auch als Mittel zur Behandlung von Covid-19 an. Das zeigt eine neue Studie von Wissenschaftlern der Universität Würzburg, die jetzt auf einem Preprint-Server veröffentlicht wurde.
Seit mehr als vier Jahrzehnten wird der Wirkstoff Fluoxetin beim Menschen zur Behandlung von Depressionen und weiteren psychischen Erkrankungen eingesetzt. Jetzt könnte das Medikament auch im Kampf gegen Covid-19 zum Einsatz kommen. Wie eine Studie von Virologen und Chemikern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) zeigt, hemmt Fluoxetin die Vermehrung der Viren vom Typ SARS-CoV-2 deutlich. Nach Ansicht der Wissenschaftler bietet es sich deshalb vor allem zur frühen Behandlung von infizierten Patienten an, die einer der bekannten Risikogruppen angehören.
Verantwortlich für diese Studie sind Professor Jochen Bodem und sein Team vom Institut für Virologie und Immunbiologie der JMU; unterstützt wurden sie von Professor Jürgen Seibel vom Institut für Organische Chemie. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Wissenschaftler jetzt auf dem Preprint-Server bioRxiv veröffentlicht.
Wirkstoffsuche unter Zeitdruck
Seit Dezember 2019 breitet
sich SARS-CoV-2 rund um den Erdball aus. Weltweit wurden bislang mehr
als sieben Millionen Infizierte registriert und mehr als 400.000
Todesfälle. Bei der Behandlung schwer erkrankter Patienten ist
Remdesivir immer noch das einzige Medikament, das gezeigt hat, dass es
den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. Weitere, im Idealfall
besser wirksame Substanzen sind deshalb dringend gesucht, und weltweit
arbeiten Forscher mit Hochdruck an dieser Aufgabe.
Das Problem
dabei: Bevor neue Wirkstoffe beim Patienten zum Einsatz kommen, müssen
sie diverse Stufen klinischer Studien durchlaufen, die sehr
zeitaufwändig sind. Weil diese Zeit fehlt, haben die Würzburger
Wissenschaftler einen anderen Weg gewählt: „Wir haben uns in unseren
Untersuchungen auf bereits zugelassene Medikamente konzentriert und
erforscht, ob diese sich als wirksame Inhibitoren von SARS-CoV-2
eignen“, erklärt Jochen Bodem.
Ein Medikament zeigt Wirkung
So
genannte „Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer“ (SSRI) standen im
Mittelpunkt einer ihrer Studien. SSRI bilden eine der bedeutendsten
Wirkstoffgruppen gegen Depressionen und weitere psychische Erkrankungen.
Fluoxetin beispielsweise wurde in den 1970-Jahren in Kliniken
eingeführt und ist ein sehr gut erforschtes Medikament.
Im Labor
haben die Wissenschaftler nun menschliche Zellen mit dem Wirkstoff in
Kontakt gebracht in Konzentrationen, die üblicherweise bei der Therapie
von Depressionen erreicht werden. Anschließend wurden die Zellen mit
SARS-CoV-2 infiziert. Nach einigen Tagen wurde die Auswirkung auf das
Virus kontrolliert. Die Ergebnisse sind vielversprechend: „Fluoxetin
hemmt SARS-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration“, sagt
Bodem. ? Eingriff in die Proteinexpression
Verantwortlich
dafür scheint allerdings nicht die eigentliche Aufgabe von Fluoxetin zu
sein – der Eingriff in den Serotin-Wiederaufnahme-Prozess. Dafür
spricht unter anderem die Tatsache, dass in der Studie andere
Medikamente aus der Gruppe der SSRI wie Paroxetin und Escitalopram die
Vermehrung von SARS-CoV-2 nicht behinderten. Die antivirale Wirkung
hängt also nicht mit dem Serotonin-Wiederaufnahme-Rezeptor
zusammenhängt. Stattdessen hemmt Fluoxetin die Proteinexpression in dem
Virus, wie Untersuchungen mit Immunfluoreszenz an einem vom Patienten
gewonnenen Antiserum zeigten. Es hindert damit das Virus daran, die
Bausteine zu bilden, die es für seine Vermehrung in der menschlichen
Zelle benötigt.
Was die Studie ebenfalls zeigt: Fluoxetin wirkt
sehr speziell auf Viren vom Typ SARS-CoV-2. Bei anderen Viren, wie etwa
dem Tollwutvirus, dem Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus, dem
humanen Herpesvirus 8 oder dem Herpes-simplex-Virus Typ 1, konnten die
Wissenschaftler keine Effekte beobachten. „Es spricht also alles dafür,
dass Fluoxetin virusspezifisch wirkt, dennoch muss die Wirkung im
Erkrankten bestätigt werden“, so der Virologe.
Seit mehr als 40
Jahren im klinischen Einsatz, gut erforscht, das Patent längst
abgelaufen, von verschiedenen Firmen erhältlich und relativ günstig. Aus
Sicht der Wissenschaftler spricht danach vieles dafür, Fluoxetin bei
der frühen Behandlung von SARS-CoV-2-infizierten Patienten in
Heilversuchen und Studien einzusetzen, zumal bekannt ist, dass Fluoxetin
die Zytokin-Ausschüttung stark vermindert und somit einen zusätzlichen
Nutzen für Erkrankte hätte.
Den Artikel finden Sie unter:
https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/antidepressivum-hemmt-coronavirus/
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg (06/2020)
Publikation: The
serotonin reuptake inhibitor Fluoxetine inhibits SARS-CoV-2. Melissa
Zimniak, Luisa Kirschner, Helen Hilpert, Juergen Seibel, Jochen Bodem.
doi: 10.1101/2020.06.14.150490. Posted June 14, 2020. https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.06.14.150490v1
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