Tödliche Bakterieninfektion bei Schweinen entschlüsselt
Neugeborene Ferkel sterben oft qualvoll an einer Infektion mit einem Darmbakterium. Ein Team von Forschenden aus drei Fakultäten der Universität Bern hat nun herausgefunden, wie das Bakterium tödliche Darmblutungen auslöst. Damit ist ihnen ein Durchbruch in der tiermedizinischen Forschung gelungen. Jetzt öffnen sich vielversprechende Aussichten für Impfstoffe und Medikamente auch für Anwendung beim Menschen.
Das Bakterium Clostridium perfringens gehört zur grossen Gruppe der Clostridien, die verschiedene tödliche Erkrankungen bei Tieren und Menschen verursachen können. Clostridieninfektionen sind weit verbreitet. Gefährlich werden diese Bakterien dadurch, dass sie extrem starke Gifte (Toxine) produzieren, die gezielt Zellen des Wirtes schädigen. Gefürchtete Krankheiten, die durch Clostridien ausgelöst werden, sind beispielsweise Botulismus, Wundstarrkrampf, Gasbrand und Darminfektionen.
Die Gruppe um Horst Posthaus am Institut für Tierpathologie der
Universität Bern erforscht eine Darminfektion bei Schweinen, die durch
Clostridium perfringens ausgelöst wird. Bereits vor 10 Jahren konnten
sie zeigen, dass das von den Bakterien gebildete Gift, das sogenannte
Beta-Toxin, Blutgefässzellen zerstört und so zu den Blutungen im Darm
der Ferkel führt. Bislang war jedoch ungeklärt, warum das Toxin genau
diese Zellen und nicht andere angreift. Nun ist es Julia Bruggisser,
Biochemikerin und Doktorandin am Institut für Tierpathologie, in einer
interdisziplinären Zusammenarbeit über drei Fakultäten hinweg gelungen,
das Rätsel um diesen Mechanismus zu lösen. Die Erkenntnisse der Studie
wurden im Fachjournal «Cell Host & Microbe» publiziert.
Ein Schlüssel-Molekül
Vor rund fünf Jahren stiess die
Laborantin Marianne Wyder vom Institut für Tierpathologie auf ein
Molekül mit dem Namen Platelet-Endothelial Cell Adhesion Molecule-1
(abgekürzt PECAM-1 oder auch CD31). Es befindet sich auf der Oberfläche
von verschiedenen Zellen und spielt eine zentrale Rolle bei den
Darmblutungen der Ferkel. Die eigentliche Aufgabe des CD31-Moleküls ist
es, das Zusammenspiel zwischen Entzündungszellen und den Blutgefässen zu
regeln. Es kommt vor allem auf Zellen vor, die sich auf der Innenseite
von Blutgefässen befinden (sogenannte Endothelzellen).
Bei
Experimenten fiel auf, dass sich CD31 und das Beta-Toxin fast identisch
auf diesen Zellen verteilen. «Aus dieser ersten Beobachtung entstand
unser Projekt», so Horst Posthaus. Julia Bruggisser vom Institut für
Tierpathologie fand heraus, dass das von den Bakterien im Darm
freigesetzte Gift an das CD31 andockt. Da das Beta-Toxin zu den
Poren-bildenden Toxinen gehört, durchlöchert es in der Folge die
Zellmembran und tötet die Endothelzellen. Dies führt zur Schädigung der
Gefässe und den Blutungen im Darm.
Forscherinnen der Uni Bern schliessen sich zusammen
Wichtig
für das Gelingen des Projektes war die Zusammenarbeit mehrerer
Forschungsgruppen an der Universität Bern. «Für meine Forschung arbeite
ich in drei Laboren an der Universität. Das ist zwar anspruchsvoll, aber
ich lerne viel und vor allem macht es Spass», sagt Julia Bruggisser.
Ausser in der Tierpathologie arbeitete sie auch mit der Gruppe von
Britta Engelhardt (Theodor-Kocher Institut) sowie Christoph von Ballmoos
(Departement für Biochemie) zusammen. «Sie hatten die richtigen Fragen
und Ideen. Wir konnten unser Know-how über CD31 und bei uns entwickelte
Methoden und Reagenzien in die Studie einbringen» so Britta Engelhardt.
«Das hat perfekt gepasst», ergänzt Christoph von Ballmoos.
Bessere Vorbeugung und Medikamente
Die
Entdeckung erlaubt es, bessere Impfstoffe zu entwickeln um die tödliche
Erkrankung beim Schwein zu verhindern. «Wir wollen aber auch
untersuchen, ob sich aus der Bindung des Beta-Toxins an das CD31 auf den
Endothelzellen neue Therapieformen, zum Beispiel für Gefässerkrankungen
bei Menschen entwickeln lassen. Hierfür haben wir bereits weitere
Zusammenarbeiten innerhalb der Universität Bern gestartet», sagt Horst
Posthaus.
Publikation: Julia
Bruggisser, Basma Tarek, Marianne Wyder, Philipp Müller, Christoph von
Ballmoos, Guillaume Witz, Gaby Enzmann, Urban Deutsch, Britta
Engelhardt, and Horst Posthaus: CD31 (PECAM-1) serves as the Endothelial
Cell-Specific Receptor of Clostridium perfringens ?-Toxin. Cell Host
and Microbes, 4. Juni 2020, https://doi.org/10.1016/j.chom.2020.05.003