An Schmuck und anderen Stücken aus Gold erfreuen sich viele Menschen. Das haben sie unscheinbaren Mikroben zu verdanken: Die hielten vor drei Milliarden Jahren das edle Metall in der Erdkruste fest. Das meint zumindest ein Experte von der Universität Würzburg.
Sämtliche Goldvorkommen der Erde sollten eigentlich im Erdkern stecken – tief verborgen und für den Menschen unerreichbar. Das Metall hat nämlich eine so hohe Dichte, dass es sich im Lauf der Erdentstehung dorthin hätte verlagern müssen. Tatsächlich aber reicherte es sich auch in der Erdkruste an.
Warum blieb das Gold dort? „Das ist bis heute eine der umstrittensten Fragen in der Geologie und Lagerstättenkunde“, sagt Professor Hartwig Frimmel, Inhaber des Lehrstuhls für Geodynamik und Geomaterialforschung an der Universität Würzburg. Er bereichert diesen Streit jetzt mit einer neuen Theorie: Ihr zufolge sind urzeitliche Mikroben dafür verantwortlich, dass Gold in der Erdkruste gebunden wurde.
Frimmel stellt seine Idee ausführlich in der Fachzeitschrift „Mineralium Deposita“ vor. Der Würzburger Wissenschaftler gilt als weltweit führender Experte für Goldlagerstätten. Lange Zeit hat er als Professor der Universität Kapstadt unter anderem in der südafrikanischen Region Witwatersrand geforscht. Dort befindet sich die weltweit größte Goldanreicherung in der Erdkruste.
Wo viel Gold ist, sind auch Relikte von Bakterien
Was Mikroben mit Gold zu tun haben? „Überall dort, wo es große Mengen Gold gibt, findet man auch lagenweise geschichtete kohleartige Substanzen, die biologischen Ursprungs sind“, so Frimmel. „Wir haben Hinweise darauf, dass es sich dabei um Relikte von Cyanobakterien handelt.“ Diese ursprünglichen Mikroben besiedelten die Küstenregionen der Erde schon vor drei Milliarden Jahren.
Die Cyanobakterien waren die ersten Lebewesen, die Photosynthese betrieben und erstmals „Aushauchungen von Sauerstoff“ machten, wie Frimmel sagt. Die Erde war damals noch weitgehend lebensfeindlich: Der Regen hatte in etwa den Säuregrad von Essig, und im Oberflächenwasser war reichlich Schwefelwasserstoff vorhanden.
Wo Sauerstoff war, wurde das Gold gebunden
„Aber unter genau diesen Bedingungen ist die Löslichkeit von Gold in Wasser sehr hoch“, erklärt der Professor. Die Flüsse und auch andere Gewässer müssen damals sehr reich an Gold gewesen sein. Traf dieses Wasser auf die mattenartigen Kolonien von Cyanobakterien, wurde das Gold vom Sauerstoff an der Oberfläche der Mikroben chemisch sofort festgehalten.
Vor drei Milliarden Jahren fand also eine Art „Gold-Mega-Event“ statt: „Die chemischen Bedingungen waren damals perfekt, um Gold zu binden und Lagerstätten entstehen zu lassen“, meint Frimmel. Im Lauf der Zeit seien auf diese Weise zum Beispiel die riesigen Goldvorkommen entstanden, die etwa in der südafrikanischen Region Witwatersrand zu finden sind. Dort lagerten einmal 100.000 Tonnen des begehrten Metalls. Mehr als die Hälfte davon ist bereits abgebaut.
Forscher um Holger Stark am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie haben gemeinsam mit Göttinger Kollegen die Proteinfabrik der Zelle – das Ribosom – schärfer sichtbar gemacht als je zuvor. Mit einem neuen Auflösungsrekord für elektronenmikroskopische Strukturen von unter drei Ångström konnten die Wissenschaftler erstmals die „Chemie“ im Ribosom direkt beobachten. Ein Ångström entspricht etwa dem Durchmesser eines Atoms. Ihre Struktur macht wichtige chemische Veränderungen im Inneren der Proteinfabrik sichtbar, mit deren Hilfe sich Bakterien erfolgreich gegen Antibiotika wehren. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler liefern einen wichtigen Beitrag, um zukünftig neue Klassen von Antibiotika erforschen und entwickeln zu können.
Ribosomen sind molekulare Hochleistungsmaschinen. Nach den genetisch vorgeschriebenen Bauplänen produzieren sie Proteine, die universellen Werkzeuge aller Zellen. Auf der molekularen Skala des Lebens sind Ribosomen riesig: Sie bestehen aus 50 verschiedenen Proteinen und mehreren Ribonukleinsäure-Molekülen, den sogenannten ribosomalen RNAs. Mit einem Durchmesser von 20 bis 30 Nanometern sind Ribosomen damit etwa so groß wie die kleinsten Viren. Für die Aufklärung der ersten Ribosomenstrukturen mithilfe der Röntgen-Kristallografie wurden die Forscher Venkatraman Ramakrishnan, Thomas Steitz und Ada Yonath im Jahr 2009 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Ribosomen im atomaren Detail sichtbar zu machen, bleibt aber auch heute für Strukturbiologen eine große Herausforderung.
Die Göttinger Max-Planck-Forscher Holger Stark und Niels Fischer haben jetzt gemeinsam mit ihrer Institutskollegin Marina Rodnina sowie Ralf Ficner von der Universität Göttingen einen neuen Auflösungsrekord für die elektronenmikroskopische Struktur des Ribosoms aufgestellt. Ihre mittels der Kryo-Elektronenmikroskopie abgebildete Struktur der Proteinfabrik aus dem Bakterium Escherichia coli bricht zum ersten Mal die Auflösungsgrenze von drei Ångström.
Für diesen Durchbruch mussten Stark und Fischer die Kryo-Elektronenmikroskopie und die computergestützte Bildgebung methodisch deutlich weiterentwickeln. „Neben dem methodischen Fortschritt waren auch die Anforderungen an die Reinheit der Proben sehr hoch. Die Ribosomen mussten äußerst sauber präpariert werden“, erklärt Stark. „Wie bei einem Legobaukasten haben wir die Komplexe der Ribosomen mit mehreren Bindungspartnern zunächst aus einzelnen Bausteinen zusammengesetzt. Anschließend wurden sie für die Kryo-Elektronenmikroskopie schockgefroren, um den ursprünglichen Zustand zu erhalten. Hier hat sich unsere erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Team um Marina Rodnina am MPI für biophysikalische Chemie wieder sehr gut bewährt“, betont der Strukturbiologe. Kryo-Elektronenmikroskop mit „Brille“
Um die Ribosomen möglichst ohne Informationsverlust abzubilden, setzten die Forscher das weltweit erste Kryo-Elektronenmikroskop mit einer speziellen Korrekturlinse ein. „Wie eine fein abgestimmte Brille reduziert diese Korrekturlinse die wichtigsten Abbildungsfehler und ermöglicht so schärfere Bilder als je zuvor“, erklärt Niels Fischer, Nachwuchsforscher in Starks Arbeitsgruppe. Für die neue höchstaufgelöste Ribosomenstruktur hat er mit dem Mikroskop mehr als 1,4 Millionen zweidimensionale Bilder aufgenommen. „Die größte Herausforderung für uns war, dass die beweglichen Teile der Proteinfabrik wie bei einer echten Maschine ständig in Bewegung sind“, berichtet Fischer. Diese Bewegungen führen zu „unscharfen“ Bereichen in den Ribosomen-strukturen, wie man sie auch von der Fotografie kennt. Um diese Unschärfen zu entfernen, trennte Fischer die Bilder daher mithilfe eines Grafikkarten-Supercomputers nach unterschiedlichen Bewegungszuständen des Ribosoms. Anschließend berechnete er die dreidimensionalen Strukturen dieser Ribosomen-Gruppen. Aber erst die Verwendung von Software, die üblicherweise in der Kristallografie genutzt wird, lieferte den Göttinger Wissenschaftlern schließlich die hochaufgelösten atomaren Strukturmodelle.
Auflösungsweltrekord für elektronenmikroskopische Struktur
„Mit diesem Ansatz haben wir im Inneren des E. coli-Ribosoms zum ersten Mal eine lokale Auflösung von bis zu 2,65 Ångström erreicht“, so Stark. „Dank dieser Detailschärfe können wir nun vor allem in Bereichen, die für die Funktion des Ribosoms wichtig sind, sehr viel mehr Einzelheiten erkennen. Wir sind damit in einen Auflösungsbereich vorgestoßen, der es uns erlaubt, die ‚Chemie’ der Proteinfabrik zu sehen.“ So konnten die Wissenschaftler beispielsweise erstmals wichtige chemische Veränderungen der ribosomalen RNA in der Struktur sichtbar machen. „Diese Veränderungen waren bisher in keiner Röntgenstruktur zu sehen“, erzählt Piotr Neumann, der in der Abteilung für Molekulare Strukturbiologie von Ralf Ficner an der Universität Göttingen forscht. Durch diese tiefen Einsichten in die Proteinfabrik lasse sich nun sehr viel besser verstehen, wie das Ribosom auf molekularer Ebene arbeite.
Die Erkenntnisse der Strukturbiologen sind auch für die Medizin von großer Bedeutung: Die erstmals sichtbar gemachten Veränderungen an der ribosomalen RNA beeinflussen die Wirksamkeit vieler Antibiotika. Solche Antibiotika hemmen ganz spezifisch nur die bakterielle Proteinfabrik, indem sie diese an bestimmten Stellen binden. Sind diese Bindungsstellen chemisch verändert, bleibt das Antibiotikum wirkungslos – das Bakterium ist resistent geworden. Dass bakterielle Krankheitserreger zunehmend Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, stellt bereits heute ein großes Problem dar. Wissenschaftler arbeiten daher mit Hochdruck daran, neue Wirkstoffe zu entwickeln, gegen die Bakterien weniger leicht resistent werden. Die neuen detaillierten Informationen von der Struktur des bakteriellen Ribosoms bieten dafür einen wichtigen neuen Ansatzpunkt.
Quelle: Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie (04/2015)
Publikation: Niels Fischer, Piotr Neumann, Andrey L. Konevega, Lars V. Bock, Ralf Ficner, Marina V. Rodnina, Holger Stark. Structure of the E. coli ribosome-EF-Tu complex at <3 Å resolution by Cs-corrected cryo-EM. Nature 520, 567-570 (2015)
Chemische Vorgänge in ungewöhnlichen, neuen Materialien direkt beobachten ist ein wissenschaftlicher Traum, den moderne Mikroskopieverfahren möglich machen: Forschenden der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gelangen erstmals Videoaufnahmen der Anlagerung von Molekülen einer ionischen Flüssigkeit an eine eingetauchte Elektrode. Die Bilder aus dem Nanokosmos geben detaillierte Aufschlüsse darüber, wie sich die chemischen Komponenten bei Anlegen einer elektrischen Spannung umordnen.
Darauf basierende Erkenntnisse könnten zu verbesserten Batterien und energieeffizienter Beschichtungstechnologie oder Solartechnik führen.
Ionische Flüssigkeiten sind Schmelzen von organischen Salzen, die sogar bei Raumtemperatur flüssig sein können, obwohl sie kein Wasser enthalten. Gerade dieser Umstand macht sie für viele Experimente und industrielle Prozesse sehr interessant. Denn Wasser wird an Elektroden schon bei geringen Spannungen elektrolytisch zersetzt. Dies überlagert und behindert andere, technisch wichtige elektrochemische Reaktionen. Zudem legen sich die Wassermoleküle um die Ionen und greifen in viele chemische Prozesse ein. In den ionischen Flüssigkeiten, die nur aus Ionen bestehen, sind daher völlig neue Reaktionen möglich.
In den letzten Jahren kam es zu einem wahren Boom dieses Forschungs-gebiets, der zur Entdeckung einer ganzen Reihe neuer ionischer Flüssigkeiten führte. Ihre technischen Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Als Elektrolyt in Batterien, Brennstoffzellen oder Farbstoffsolarzellen und als galvanisches Bad für die Abscheidung von dünnen Aluminiumschichten oder Halbleiter¬materialien. Dass sie bei Raumtemperatur funktionieren, macht sie für viele Anwendungen einfacher handhabbar und spart obendrein Energie.
Bis heute existierten jedoch kaum gesicherte Erkenntnisse darüber, was bei elektrochemischen Reaktionen der ionischen Flüssigkeiten auf molekularer Ebene passiert oder wie sich die Moleküle an der Oberfläche der Elektrode anordnen. Während dies in wasserhaltigen Flüssigkeiten mit modernen Mikroskopieverfahren schon Jahrzehnte lang möglich war, gelang das in ionischen Flüssigkeiten bislang fast nie: „Die Moleküle bewegen sich häufig einfach zu schnell für konventionelle Geräte“, sagt Professor Olaf Magnussen von der Uni Kiel. Mit einem selbst gebauten Rastertunnelmikroskop konnte sein Team diesem Geheimnis nun auf die Spur kommen.
Videos, die von Magnussens Mitarbeiterin Dr. Rui Wen aufgenommen wurden, lassen erkennen, wie die weniger als ein Nanometer großen Moleküle der Flüssigkeit auf das Anlegen einer elektrischen Spannung an eine Goldelektrode reagieren. Ist die Oberfläche quasi ungeladen, zeigen die Moleküle ein für Flüssigkeiten typisches Verhalten: Sie sind ungeordnet und hochbeweglich. Mit zunehmender Spannung legen die Moleküle sich dann flach auf die Oberfläche und bilden Reihen, bevor sie sich schließlich aufstellen. Gleichzeitig werden sie immer unbeweglicher. „Die Aufnahmen sind einzigartig und helfen uns Theorien zu entwickeln, mit denen sich die Elektrodenprozesse in ionischen Flüssigkeiten besser beschreiben lassen“, sagt Physiker Magnussen. „Dies ist nicht nur für die Grundlagenforschung wichtig, sondern auch für konkrete Anwendungen.“
Um an der Kieler Universität forschen zu können, hatte Rui Wen sich für ein Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung beworben und das Projekt bewilligt bekommen. „Die besondere Mikroskopiemethode hat mich sehr gereizt nach Kiel zu kommen“, sagt Wen. In den zwei Jahren ihres Aufenthalts in Kiel untersuchte die Chinesin eine ganze Reihe ionischer Flüssigkeiten, unter anderen Flüssigkeiten mit BMP Ionen, die Thema der gerade veröffentlichten Studie sind. Besonders die Batterieforschung interessiert sich für BMP.
Die Kieler Forschungsergebnisse könnten dazu führen, dass ionische Flüssig-keiten besser verstanden und für umweltfreundlichere Herstellungs¬prozesse maßgeschneidert werden können. Für Rui Wen persönlich haben sich die Untersuchungen bereits direkt bezahlt gemacht: Sie erhielt vor kurzem ein Angebot zum Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe an der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking.
Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (04/2015)
Publikation: Potential-dependent Adlayer Structure and Dynamics at the Ionic Liquid / Au(111) Interface: A Molecular Scale In Situ Video-STM study. Rui Wen, Björn Rahn, and Olaf. M. Magnussen. Angew. Chem. Int, Ed. DOI: 10.1002/anie.201501715
Potentialabhängige Struktur und Dynamik molekularer Adschichten an der Grenzfläche zwischen ionischen Flüssigkeiten und Au(111): Eine in situ Video-STM Studie. Rui Wen, Björn Rahn, and Olaf. M. Magnussen. Angew. Chem. DOI: 10.1002/ange.201501715
Eine Kollaboration von Forschenden unter ETH-Federführung hat das Genom von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten aufgeklärt. Die Resultate bieten unerwartete Einblicke in Ökologie und Evolution der Hummeln und auch der Honigbiene.
Hummeln gelten als friedfertig und fleissig. Nicht zuletzt seit es weltweit mit der Honigbiene bergab geht, ist der kommerzielle Wert dieser Insekten gestiegen. So werden sie heute im grossen Stil gezüchtet und als Bestäuberinnen von Nutz- und Kulturpflanzen eingesetzt. Doch auch um die putzigen Brummer, von denen es weltweit 250 verschiedene Arten gibt, steht es mancherorts schlecht. Der grosse Schatten, den das Bienensterben warf, verdeckte die Tatsache, dass in den USA und auch anderswo einige häufige Hummelarten in den vergangenen Jahren ebenfalls selten geworden sind oder aus ganzen Landstrichen komplett verschwanden.
Nicht zuletzt deshalb initiierten die beiden ehemaligen ETH-Forscher Seth Barribeau und Ben Sadd, zusammen mit Professor Paul Schmid-Hempel aus der Gruppe für Experimentelle Ökologie vor acht Jahren ein Hummel-Genom-Projekt. Es hatte zum Ziel, das Erbgut von zwei kommerziell bedeutenden Hummelarten, der europäischen Erdhummel, Bombus terrestris, und der amerikanischen Bombus impatiens, zu entschlüsseln. Die Genomdaten, so hofften die Forschenden, sollten Aufschluss geben über Biologie, Ökologie und Evolution der Hummeln.
Immungene analysiert
Ein besonderes Augenmerk richteten Barribeau, Sadd und 80 weitere Forschende aus der ganzen Welt auf die Gene, die zum Immunsystem gehören. An der Arbeit beteiligten sich Evolutionsbiologen, Ökologinnen, Bioinformatiker und Genetikerinnen. Zudem verglichen die Forschenden bereits entschlüsselte Genome anderer Insekten, wie der Honigbiene, einer Erzwespe und der Essigfliege Drosophila melanogaster, mit denen der beiden Hummeln. Die Resultate ihrer Studien veröffentlichten die Wissenschaftler soeben in der Fachzeitschrift «Genome Biology».
Die Genome der beiden Hummeln gleichen einander stark und enthalten rund 20‘000 verschiedene Gene auf 18 Chromosomen. Davon entfällt nur ein geringer Anteil auf Gene, die in die Immunantwort involviert sind, wie die Wissenschaftler herausfanden: Das Genrepertoire für das Immunsystem umfasst bei beiden Hummelarten nur rund 150 Gene. Das sind verglichen mit Fliegen oder Mücken ziemlich wenige: Drosophila hat doppelt so viele. Allerdings haben auch die Honigbiene und die Erzwespe Nasonia nur ein kleines Immun-Gen-Repertoire.
Sozialorganisation spielt k(l)eine Rolle
Weshalb die sozial verhältnismässig schwach organisierten Hummeln ebenso wenige Immun-Gene haben wie die Honigbienen mit ihrer hohen sozialen Organisation, ist für Paul Schmid-Hempel rätselhaft. Bisher sei die Forschung davon ausgegangen, dass sich Insekten mit hoher sozialer Organisation ein schwächeres Immunsystem leisten können, sagt er. Umgekehrt würde ein simples Sozialsystem stärkere körpereigene Abwehr erfordern. Die bisherige Theorie nahm also an, dass hochsoziale Insekten andere Möglichkeiten zur Abwehr von Keimen haben als die Immunabwehr, etwa die gegenseitige Körperpflege bei Bienen.
Schmid-Hempel kann sich vorstellen, dass dieses schwache Immunsystem der Bienen und Hummeln mit ihrer Nahrung zusammenhängen könnte: Während Fliegen wie die Essigfliege Drosophila melanogaster Nahrung auf mit Bakterien und Pilzen verunreinigten Oberflächen wie verfaulten Früchten aufnehmen, können Bienen diesbezüglich saubere Nahrungsquellen, die Blüten von Pflanzen, anfliegen. Das dürfte das Infektionsrisiko und damit den Selektionsdruck für ein gut ausgebautes Immunsystem beträchtlich senken.
Doch nicht nur das schwache Immunsystem dürfte Hummeln (und Honigbienen) in der heutigen Zeit das Leben schwer machen: Die Forscher konnten auch nur wenige Gene identifizieren, die die Entgiftung des Körpers regeln. Dies könnte laut Schmid-Hempel dafür sprechen, dass diese Insekten auf Umweltgifte wie Pestizide aus der Landwirtschaft sensibel reagieren.
Genunterschiede machen Ökologie sichtbar
Die Genomanalysen zeigen aber auch deutliche Unterschiede zwischen Bienen und Hummeln. So haben Hummeln mehr Gene, die der Geschmacksbildung dienen, Bienen mehr solche, die zum Geruchssinn beitragen.
Dies macht Sinn: Hummeln vertrauen bei der Nahrungssuche auf ihren Geschmack, testen quasi jede Blüte, die sie anfliegen, mit ihrer Zunge. Honigbienen vertrauen hingegen auf ihren Geruchssinn, um die richtige Nahrung zu finden. Auch beim Schwänzeltanz, mit dem eine Biene ihren Artgenossinnen gute Nahrungsquellen mitteilt, spielt der Geruchssinn die tragende Rolle. «In den Genen lässt sich dieser fundamentale Unterschied in der Lebensweise der beiden Organismen deutlich erkennen», so Schmid-Hempel. Keine «Sozialgene»
Zu ihrer Überraschung konnten die Forscher der sozialen Organisation und dem Sozialverhalten vergleichsweise wenige spezifischen Gene zuordnen. «Die Gene dafür sind bei Hummeln und Bienen nicht sehr verschieden», so Schmid-Hempel. Dafür entdeckten die Wissenschaftler bei diesen Insekten komplett verschiedene Sätze von sogenannten Mikro-RNAs, also winzigen Schnipseln von Ribonukleinsäuren. Diese miRNAs regulieren Gene, indem sie Gen-Abschriften, die in den Zellen als Bauplan von Proteinen dienen, blockieren. Erst diese Art der Gen-Regulation macht aus einem «normalen» wenig sozialen Insekt wie der Hummel ein hochsoziales Wesen wie die Honigbiene.
Publikation: Sadd, B, Barribeau, SM, Bloch, G, Graaf, D, Dearden, P, Elsik, C, et. al The genomes of two key bumblebee species with primitive eusocial organization. Genome Biology. (in press)
Barribeau SM, et al. A depauperate immune repertoire precedes evolution of sociality in bees. 2015, 16: 83, published online 24th April 2015, DOI: 10.1186/s13059-015-0628-y
Auf der Suche nach Angriffspunkten gegen das unheilbare Erbleiden Chorea Huntington sind Neurobiologen der Forschungsgruppe von Prof. Erich Wanker vom Max-Delbrück-Centrum (MDC) mit der von Kriminologen entlehnten Idee der Rasterfahndung fündig geworden. Systematisch durchforsteten sie verschiedene Biodatenbanken und grenzten ihr Untersuchungsgebiet immer mehr ein, bis sie auf ein Protein (CRMP1) stießen, das, wie anschließende Untersuchungen im Labor zeigten, als „Anstandsdame“ dafür sorgt, dass das Protein Huntingtin (HTT) sich korrekt verhält, nicht falsch faltet und verklumpt. Der fehlgeleitete Prozeß gilt als Auslöser für Chorea Huntington (Genome Research, doi:10.1101/gr.182444.114)*.
Chorea Huntington, auch Veitstanz genannt, wurde 1872 von dem amerikanischen Arzt George Huntington entdeckt. Es ist ein seltenes, aber unheilbares Erbleiden (6:100 000), das meist in mittleren Lebensjahren ausbricht. Die Betroffenen leiden an unkontrollierbaren Zuckungen, Demenz und psychischen Störungen. Die Erkrankung führt rund 15 Jahre nach Ausbruch zum Tod. Für Kinder eines betroffenen Elternteils beträgt das Risiko ebenfalls an Chorea Huntington zu erkranken, 50 Prozent. Das Gen für das HTT liegt auf Chromosom 4. Ist es mutiert, ist auch das Protein verändert. Charakteristisch für das giftige Protein HTT ist eine überlange Kette von 40 Glutaminbausteinen (Glutamin ist ein Baustein für Proteine) und mehr. Diese überlangen Glutaminabschnitte von HTT gelten als Antreiber für den Ausbruch von Chorea Huntington.
Wie der Datenflut Herr werden? Zielstellung des Forschungsprojekts von Prof. Wanker und seinen Mitarbeitern war, Proteine zu finden, die mit dem Protein Huntingtin (HTT) wechselwirken und verhindern, dass es sich falsch faltet, verklumpt, Nervenzellen in ihrer Funktion beeinträchtigt und vergiftet. „Aber wie können wir aus den verschiedenen Gen- und Proteindatenbanken brauchbare Informationen herausfischen und unter den tausenden von Proteinen und tausenden von Protein-Protein Wechselwirkungen, diejenigen herausfiltern, die mit dem mutierten Protein HTT interagieren und vor allem mit dem überlangen Glutaminabschnitt“, diese Frage stand am Anfang der Überlegungen.
Bei einer Suchmaschine gibt man einen bestimmten Begriff ein und das System spukt dazu unzählige Daten aus. Aber im Fall der MDC-Forscher ging das nicht, wollten sie nicht in der Datenflut aus den verschiedenen Biodatenbanken ertrinken. Da kam die Idee der Rasterfahndung auf, bei der Informationen aus verschiedenen Bereichen miteinander in einem abgestuften Verfahren verknüpft werden.
Um ihr Untersuchungsgebiet zu begrenzen, machten sich Dr. Martin Stroedicke, Dr. Yacine Bounab, Dr. Gautam Chaurasia, Dr. Matthias Futschik und Prof. Wanker die bisher in der Forschung gewonnenen Erkenntnisse über Chorea Huntington zunutze. Bei dieser Erkrankung sind hauptsächlich solche Hirnregionen betroffen, die mit Bewegung (Motorik) sowie Stimmungen und Gefühle zu tun haben. Vor allem eine Region, die Forscher Nucleus caudatus (Schwanzkern) nennen, ist bei Chorea Huntington massiv betroffen und von ihr gehen die meisten und schwersten Bewegungsstörungen aus.
Die Überlegung war dann zuerst ein Proteinnetzwerk um das Protein HTT herum aufzubauen, um direkte und indirekte „Kooperationspartner“ von ihm zu identifizieren. Dazu durchkämmten die MDC-Forscher bereits veröffentlichte Gen- und Proteindaten der in Frage kommenden Hirnregionen und zwar sowohl von Huntington-Patienten als auch von gesunden Kontrollgruppen. Dabei identifizierten sie 1319 Proteinwechselwirkungen und entdeckten darunter über 500 Proteine, die direkt oder indirekt mit dem Protein HTT interagieren.
In einem zweiten Schritt suchten sie nach HTT-Interaktionspartnern in gesunden Gehirnen und in anderem Körpergewebe, um nur die Proteine herauszufiltern, die für das Gehirn relevant sind. Dann engten sie die Suche im dritten Schritt auf die bei Chorea Huntington am stärksten betroffene Schwanzkern-Region ein. Sie verglichen dazu die Daten von 38 Chorea Huntington-Patienten mit Daten von 32 Gesunden. Dabei stießen sie auf 13 Proteine, die mit dem HTT-Protein direkt oder indirekt wechselwirken. Auffällig dabei: bei Chorea Huntington Patienten sind diese 13 Proteine in geringeren Mengen vorhanden als bei der Kontrollgruppe.
Zu wenig Schutzprotein CMRP1 bei Erkrankten Im dritten Schritt gelang es den MDC-Forschern unter diesen 13 Eiweißen ein Protein herauszufiltern, das direkt auf die überlange Glutaminkette des HTT-Proteins zielt. Dieses Protein, kurz CRMP1 genannt (die Abkürzung steht für collapsin response mediator protein 1), spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Nervenzellen und ihrer Kommunikation. An Hand der Daten konnten die Forscher sehen, dass auch dieses Schutzprotein CRMP1 bei Chorea Huntington-Patienten in zu geringen Mengen vorkommt.
Erkenntnisse im Labor überprüft Ihre beim Filtern der Datenbanken gewonnenen Erkenntnisse überprüften die Forscher anschließend in der Zellkultur im Labor sowie mit transgenen Mäusen – sie tragen zusätzlich das Gen für Chorea Huntington in ihrem Genom – und gesunden Mäusen. Dabei bestätigte sich, worauf die Befunde der Datenbanken bereits hingedeutet hatten, dass nämlich die Menge an CRMP1-Protein in den transgenen Tieren im Vergleich zu den gesunden Mäusen in der Tat sehr gering war. Unklar ist jedoch, weshalb das so ist.
Die nächste Frage war dann, ob das Protein CRMP1 Einfluss auf das mutierte HTT-Protein hat? Da es zu wenig von diesem Protein bei Chorea Huntington gibt, kurbelten die Forscher mit einem genetischen Trick die Produktion des Proteins CRMP1 in transgenen Chorea Huntington Taufliegen (Drosophila melanogaster) an. Kletterversuche zeigten, dass CRMP1 die Bewegungsstörungen der Tiere tatsächlich verbesserte.
Noch keine Therapie Mit diesen Untersuchungen an Tieren konnten die MDC-Forscher experimentell nachweisen, dass CRMP1 in größeren Mengen die Fehlfunktion von HTT aufhebt. Es verhindert die Verklumpung von HTT und verbessert damit die Funktion von Nervenzellen bei Chorea Huntington. „Mit der molekularen Rasterfahndung haben wir eine einfache aber durchschlagende Methode entwickelt, solche Proteine zu identifizieren, die mit dem krankmachenden Protein HTT direkt wechselwirken“, erklärt Prof. Wanker. Neben diesem jetzt neu entdeckten Protein gibt es bereits andere Eiweiße, die Angriffspunkte für künftige Therapien bieten könnten und die die Forscher in ihr Netzwerk mit aufnehmen. Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse helfen, eine Therapie gegen Chorea Huntington zu entwickeln. „Aber das wird noch viele Jahre dauern“, gibt Prof. Wanker zu bedenken.
Mit einer ausgeklügelten Röntgenuntersuchung hat ein amerikanisch-deutsches Forscherteam unter Beteiligung von DESY die molekulare Struktur eines wichtigen Blutdruck-Regulators im menschlichen Körper aufgeklärt. Die Studie, die an diesem Donnerstag im renommierten Fachblatt „Cell“ erscheint, gibt neue Einblicke in die genaue Funktionsweise des Rezeptors und könnte der Entwicklung neuer und nebenwirkungsärmerer Blutdrucksenker dienen, wie die Wissenschaftler unter Leitung von Prof. Vadim Cherezov von der University of Southern California erläutern. Bluthochdruck ist das häufigste Herz-Kreislauf-Leiden in den Industrieländern.
Die Forscher hatten mit dem stärksten Röntgenlaser der Welt, der Linac Coherent Light Source LCLS am US-Forschungszentrum SLAC, den sogenannten Angiotensin-Rezeptor AT1R untersucht. Werden diese Rezeptoren durch das Hormon Angiotensin aktiviert, führt das zu einer Verengung der Blutgefäße – der Blutdruck steigt. „Medikamente namens Angiotensin-Rezeptor-Blocker, kurz ARB, sind eine der weit verbreiteten Strategien gegen Bluthochdruck“, erklärt Cherezov.
Wie diese Mittel auf molekularer Ebene funktionieren, war bis dato allerdings nicht genau geklärt, betont DESY-Forscher Cornelius Gati vom Hamburger Center for Free-Electron Laser Science CFEL, der die Daten der Röntgenuntersuchung ausgewertet hat. „Trotz der großen medizinischen Bedeutung war die Struktur des Rezeptors bislang unbekannt.“ Das CFEL ist eine Kooperation von DESY, Max-Planck-Gesellschaft und Universität Hamburg.
Für die Strukturuntersuchung mit Röntgenlicht müssen die Forscher zunächst Kristalle aus den gewünschten Biomolekülen züchten. Aus der charakteristischen Weise, wie diese Kristalle das Röntgenlicht streuen, lässt sich dann die räumliche Struktur dieser Moleküle berechnen. Die Zucht der Kristalle ist jedoch vor allem im Fall von Biomolekülen oft schwierig. Viele dieser Proteine lassen sich nur mit Tricks in Kristallform zwingen, da sie nicht ihrem natürlichen Zustand entspricht. „Die AT1R-Kristalle, die wir erzielen konnten, waren nadelförmig und zu klein für die klassische Kristallographie“, berichtet Cherezov.
Erst mit den intensiven Blitzen des ultrahellen Röntgenlasers ließen sich den Kristallen die Strukturinformationen entlocken. Die Forscher sprühten in den Röntgenstrahl AT1R-Kristalle, an denen bereits ein blockierendes Molekül gebunden war. Dieses Molekül namens ZD7155 ist ein chemischer Vorläufer einer der am meisten verwendeten ARB aus der wichtigen Gruppe der Sartane.
Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler die genaue Struktur des blockierten Rezeptors untersuchen. Die Ergebnisse enthüllen den molekularen Aufbau des Rezeptors mit einer Genauigkeit von 0,29 Nanometern (milionstel Millimetern), das liegt in der Größenordnung von Atomen. „Die Daten zeigen die genaue Struktur der sogenannten Bindungstasche und die Interaktion mit Blutdrucksenkern, die dort ankoppeln“, erläutert Gati. „Das liefert neue Einblicke in den Wirkmechanismus und ermöglicht die Entwicklung neuer Wirkstoffe.“
Der Angiotensin-Rezeptor gehört zur medizinisch wichtigen und großen Klasse der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR). Diese Rezeptoren sitzen in der Zellmembran und lösen durch ein äußeres Signal (in diesem Fall das Ankoppeln von Angiotensin) eine Wirkung im Inneren der Zelle aus. Solche Transmembran-Rezeptoren sind für die Pharmaindustrie besonders interessant, weil sich über sie eine Wirkung in der Zelle auslösen lässt, ohne dass ein Medikament bis in die Zelle hinein gelangen muss.
Der Angiotensin-Rezeptor AT1R vermittelt seine Signale aber nicht nur über das weit verbreitete G-Protein, sondern auch über den sogenannten Arrestin-Signalweg. „Den G-Protein-Signalweg zu blockieren, ist günstig, während die Blockade des Arrestin-Signalwegs nachteilig ist und zu vielen Nebenwirkungen führt“, berichtet Cherezov. „Alle Angiotensin-Rezeptor-Blocker, die gegenwärtig auf dem Markt sind, blockieren beide Signalwege.“
Die Forscher hoffen nun, dass die detaillierte Kenntnis der Rezeptor-Struktur zur Entwicklung von Blutdrucksenkern mit weniger Nebenwirkungen beitragen kann. „Unsere Arbeit stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar“, sagt Cherezov. „Als nächstes planen wir unter anderem, diesen Rezeptor in einem Komplex mit einem Aktivator zu untersuchen, sowie die Struktur des eng verwandten Rezeptors AT2R aufzuklären.“
Publikation: Structure of the Angiotensin Receptor Revealed by Serial Femtosecond Crystallography; Haitao Zhang, Hamiyet Unal, Cornelius Gati, Gye Won Han, Wei Liu, Nadia A. Zatsepin, Daniel James,?Dingjie Wang, Garrett Nelson, Uwe Weierstall, Michael R. Sawaya, Qingping Xu, Marc Messerschmidt, Garth J. Williams, Sébastien Boutet, Oleksandr M. Yefanov, Thomas A. White, Chong Wang, Andrii Ishchenko, Kalyan C. Tirupula, Russell Desnoyer, Jesse Coe, Chelsie E. Conrad, Petra Fromme, Raymond C. Stevens, Vsevolod Katritch, Sadashiva S. Karnik, and Vadim Cherezov; „Cell”, 2015; DOI: 10.1016/j.cell.2015.04.011