Der Pilz Piriformospora indica besiedelt die Wurzeln unterschiedlichster Pflanzen. Das können Orchideen, Tabak, Gerste oder sogar Moose sein. Dabei dringt er zwar in die Wurzeln ein, schädigt die Pflanzen damit aber nicht. Ganz im Gegenteil: Er kann das Wachstum seiner Pflanzenpartner sogar fördern. Solche und andere Wechselwirkungen, die zwischen dem Pilz und seinen Partnern ablaufen, sind der Wissenschaft bereits bekannt.
Über eine neue Facette der Pilz-Pflanze-Beziehung berichten jetzt Forschungsgruppen aus Köln und Würzburg in „Nature Communications“: Die Forscher identifizierten ein Protein, mit dem der Pilz die Immunabwehr der besiedelten Pflanzen unterdrückt. So sorgt er dafür, dass er nicht wie krankheitserregende Pilze attackiert wird und die Beziehung auf Dauer gelingen kann.
Das Protein „Fungal Glucan Binding 1“ (FGB1) bewirkt unter anderem, dass in der Pflanze der „oxidative burst“ unterbleibt. Dabei werden normalerweise aggressive Sauerstoffradikale erzeugt, die potenzielle Krankheitserreger zerstören und das Immunsystem der Pflanze aktivieren.
Protein macht die Pflanze blind für Pilzstrukturen
Wie legt das Protein die Immunabwehr der Pflanze lahm? „Es bindet sich hoch affin und sehr spezifisch an Zuckermoleküle, die in der Zellwand der Pilze sitzen und von der Pflanze normalerweise als ‚fremd‘ erkannt werden“, erklärt Molekularbiologie-Professorin Alga Zuccaro von der Universität zu Köln. FGB1 wirkt wie ein Tarnmantel und verbirgt die fremden Zuckermoleküle vor dem Immunsystem.
Bei den fraglichen Zuckermolekülen handle es sich um beta-1,3/1,6-Glucane, so Chemieprofessor Jürgen Seibel von der Universität Würzburg. Dass Pilz-Glucane das Immunsystem des Menschen in Schwung bringen, ist schon seit Längerem bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie auch das Immunsystem der Pflanzen stimulieren können.
Dass aber im Fall von Piriformospora indica die Immunabwehr durch FGB1 unterdrückt wird, das konnten Zuccaro und Seibel nun durch die Kombination des Know-hows ihrer Arbeitsgruppen zeigen. Die Kölner Molekularbiologin ist Expertin für wurzelbesiedelnde Pilze und das pflanzliche Immunsystem, der Würzburger Chemiker ist Fachmann für Zuckermoleküle und deren Funktionen in Zellen und Organismen.
Perspektive für die medizinische Diagnostik
Die neuen Erkenntnisse lassen sich vielleicht in der Medizin und der Pflanzenzüchtung nutzen. Weil das neu entdeckte Protein FGB1 eine so hohe Affinität und Spezifität zu beta-1,6-Glucanen aus Pilzzellwänden hat, eignet es sich womöglich für die Diagnostik von Pilzinfektionen beim Menschen. Außerdem könnte das neue Wissen langfristig zur Züchtung von Pflanzen mit erhöhter Krankheitsresistenz beitragen.
Als nächstes soll untersucht werden, wie die Pflanzen die beta-1,3/1,6-Glucane erkennen und wie genau FGB1 dies unterdrückt.
Publikation: The fungal-specific ß-glucan-binding lectin FGB1 alters cell-wall composition and suppresses glucan-triggered immunity in plants. Stephan Wawra, Philipp Fesel, Heidi Widmer, Malte Timm, Jürgen Seibel, Lisa Leson, Leona Kesseler, Robin Nostadt, Magdalena Hilbert, Gregor Langen & Alga Zuccaro, Nature Communications,DOI:10.1038/ncomms13188
Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben biologische und chemische Katalysatoren in einem System vereint und ein gemeinsames Produkt erzeugen lassen. Üblicherweise brauchen die beiden Katalysatorarten sehr unterschiedliche Umgebungsbedingungen. Die Wissenschaftler betteten sie in eine spezielle Gelmatrix ein. Dadurch entstanden unterschiedliche Reaktionsräume, in denen die Reaktion schrittweise als Kaskade ablaufen konnte. Auf diese Weise könnten sich Bio-Katalysatoren leichter in chemische Synthesewege integrieren lassen.
Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben es geschafft, chemische und biologische Katalysatoren im selben System für einen gemeinsamen Zweck einzusetzen. Normalerweise brauchen sie sehr unterschiedliche Reaktionsbedingungen. Eine spezielle Gelmatrix war der Schlüssel zum Erfolg. So könnten sich die Vorteile beider Katalysatorarten in Zukunft verbinden lassen.
Das Team der Nachwuchsgruppe Mikrobielle Biotechnologie um Prof. Dr. Robert Kourist berichtet in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“.
Vorteile von Enzym-Katalysatoren
„Enzyme als umweltfreundliche biologische Katalysatoren stehen mittlerweile im Fokus der modernen Synthesechemie“, sagt Robert Kourist. Der Grund: Sie operieren bei milden Reaktionsbedingungen wie neutralem pH-Wert und niedrigen Temperaturen. Außerdem sind sie sehr selektiv, stellen also nur das gewünschte Produkt und wenig Nebenprodukte her.
Es gibt jedoch eine Reihe von Reaktionen, für die bislang keine passenden Enzyme als Katalysatoren gefunden wurden. Daher sind derzeit auch noch chemische Katalysatoren im Einsatz. „Eine Kombination der klassischen Enzyme mit Bio-Katalysatoren, ist ein Schritt hin zu umweltfreundlicheren chemischen Prozessen“, sagt Kourist. „Sie in derselben Reaktion zu verwenden ist aber eine Herausforderung.“ Denn sie benötigen unterschiedliche Reaktionsbedingungen, um zu funktionieren.
Unterschiedliche Reaktionsräume
Chemische Katalysatoren sind häufig organo-metallische Verbindungen, die ein organisches Lösungsmittel als Reaktionsumgebung erfordern. Allerdings gibt es nur wenige Enzyme, die in einer solchen Umgebung aktiv bleiben können.
Um dennoch beide Arten von Katalysatoren gemeinsam in einer Reaktion einzusetzen, erzeugten die Bochumer Wissenschaftler Dr. Álvaro Gómez Baraibar und Dennis Reichert getrennte Reaktionsräume mithilfe einer speziellen Gelmatrix. So können die Einzelreaktionen als Kaskade ablaufen, mit mehreren räumlich getrennten Schritten hintereinander.
Reaktionskaskade spart Zeit und Kosten
„Die Kombination der einzelnen Reaktionsschritte in einer Kaskade hat weitere Vorteile“, sagt Reichert. Es sei nicht nötig, das gewünschte Produkt nach den einzelnen Zwischenschritten aufwendig zu isolieren und von Nebenprodukten zu reinigen, weil es direkt als Ausgangsstoff für den nächsten Schritt der Reaktion genutzt werden könne. „Das spart Zeit und Kosten“, erklärt er.
Beispiel mit potenzieller Pharmawirkung
Das Team demonstrierte die neue Methode an der Synthese von Polyphenolen. „Diese Naturstoffe werden vorwiegend als natürliche Antioxidationsmittel genutzt“, erklärt Robert Kourist. „Sie stehen aber auch im Mittelpunkt verschiedener Studien als neue Medikamente zum Einsatz in Krebstherapien.“
Polyphenole synthetisch herzustellen ist aufwendig, und die Ausbeute ist gering. Die Bochumer Gruppe zeigte, dass die Reaktion in Form einer Kaskade in der Gelmatrix realisiert werden kann.
Publikation: Álvaro Gómez Baraibar, Dennis Reichert, Carolin Mügge, Svenja Seger, Harald Gröger, Robert Kourist: A sequential one-pot cascade reaction combining an encap-sulated decarboxylase with metathesis for the synthesis of bio-based antioxidants, in: Angewandte Chemie International Edition, 2016, DOI: 10.1002/anie.201607777
Chemosynthetische Symbionten sind Bakterien, die auf der Oberfläche oder im Inneren von Tieren leben und ihren Wirt mit Nahrung versorgen, zu der er sonst keinen Zugang hätte. Seit langem ist bekannt, dass diese Bakterien Kohlenstoff fixieren und in organischen Kohlenstoff umwandeln können. Doch nun haben die Mikrobiologin Jillian Petersen und ihre Kollegen von der Universität Wien und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie entdeckt, dass das auch mit Stickstoff möglich ist. Chemosynthetische Bakterien wandeln reaktionsträgen gasförmigen Stickstoff in eine Form um, die auch andere Lebewesen gut nutzen können. Sie düngen damit einen Lebensraum, in dem das Wachstum häufig durch einen Mangel an verfügbarem Stickstoff begrenzt wird.
Petersen und ihre Kollegen entdeckten die stickstofffixierenden Symbionten als Untermieter von Mondmuscheln und Fadenwürmern. Vertreter dieser Gruppen leben in Küstengewässern auf der ganzen Welt. In manchen Regionen gelten die Muscheln sogar als Delikatesse. Die Chemosynthese ist die besondere Fähigkeit der Bakterien, ganz ohne Sonnenlicht und nur aus chemischer Energie Biomasse zu erzeugen. Diese symbiotische Primärproduktion ist effizient genug, um sowohl das Bakterium als auch seinen Wirt zu ernähren.
Neu: Stickstofffixierung bei chemosynthetischen Symbionten
Die Forscher um Petersen nutzten modernste Methoden zur DNA-Sequenzierung und fanden tatsächlich all jene Gene, die zur Stickstofffixierung nötig sind, in den Symbionten der Muscheln und Würmer. Sie sind damit die ersten bekannten chemosynthetischen Symbionten, die Stickstoff fixieren können. “Diese Entdeckung kam wirklich überraschend - denn die Bakterien können vermutlich auch Stickstoff aus ihrer Umgebung aufnehmen und den Stickstoffabfall ihrer Wirte wiederverwerten“, sagt Petersen. „Sie müssten ihn also gar nicht aufwändig aus Stickstoffgas fixieren.“ Daher untersuchten die Forscher die Muscheln auch mit Hilfe der sogenannten Transkriptomik und Proteomik – und entdeckten auch die Expression der Gene für die Stickstofffixierung . sie sind also nicht nur vorhanden, sondern werden auch genutzt. “Das deutet darauf hin, dass die Symbionten aktiv im Inneren ihrer Wirte Stickstoff fixieren“, erklärt Petersen. Und auch die Isotopenzusammensetzung des Stickstoffs zeigt, dass es sich um biologisch fixierten Stickstoff handelt und untermauert somit die Vermutung, dass die Symbionten aktiv Stickstoff fixieren.
Jillian Petersen, die jetzt eine Forschungsgruppe an der Universität Wien leitet und davor am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie forschte, leitete die Gruppe von Wissenschaftler, die hinter dieser Veröffentlichung steht. Neben den Forschern aus Wien und Bremen waren auch die Universität Montpellier, Frankreich, die Universität Calgary, Kanada, und das Hydra-Institut in Italien beteiligt. „Den Großteil unserer Feldarbeit haben wir am Hydra-Institut in Elba durchgeführt“, so Ulisse Cardini, Wissenschaftler in Petersens Team und erfahrener Forschungstaucher, der viele Proben selbst an Land holte. ‘‘Zudem durften wir Proben von Nicolas Higgs vom Plymouth University Marine Institute und von John Taylor vom Natural History Museum in London nutzen. So konnten wir diese Gene für die Stickstofffixierung in Muscheln aus verschiedensten Regionen auf der ganzen Welt untersuchen – und fanden sie fast überall! Die Fähigkeit, Stickstoff zu fixieren, scheint in diesen symbiotischen Bakterien also weit verbreitet zu sein“, erläutert Cardini.
Dünger für das Meer?
„Die Wissenschaft hat die Stickstofffixierung durch chemosynthetische Symbionten lange Zeit völlig übersehen“, sagt Petersen. „In den späten 1970ern wurden diese Organismen in der Tiefsee entdeckt. Seitdem haben wir uns fast vier Jahrzehnte damit beschäftigt, wie die Symbionten ihren Wirten Kohlenstoff beispielsweise in Form von Zuckern bereitstellen.“ Aber auch Muscheln leben nicht vom Kohlenstoff allein. Die nun vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Symbionten einen weiteren, unerwarteten Vorteil bringen könnten. Sie peppen den Speiseplan mit Stickstoff auf. Zudem könnten sie auch ihre Umgebung düngen, indem sie verfügbaren Stickstoff freisetzen. „Dieser Frage wollen wir als nächstes nachforschen“, so Petersen: „Helfen diese symbiotischen Bakterien auch, den Ozean zu düngen?“
HINTERGRUNDINFORMATION
Stickstoff ist für alle Organismen lebenswichtig. Er wird benötigt, um unverzichtbare Zellbestandteile wie Proteine und DNS herzustellen. Auf der Erde gibt es reichlich Stickstoff, hauptsächlich in Form von Stickstoffgas. Die meisten Lebewesen jedoch können ihn in dieser Form nicht nutzen. So kommt es, dass Pflanzen, Tiere und Mikroben umgeben von Stickstoff trotzdem an einem Stickstoffmangel sterben können.
Die biologische Stickstofffixierung ist ein Prozess, bei dem das reaktionsträge Stickstoffgas in eine biologisch nützliche Form umgewandelt wird. Dieser Prozess ist die Voraussetzung für eine fortgesetzte Primärproduktion, das Auffüllen der Nährstoffreserven und schließlich für das Überleben vielfältiger Lebensgemeinschaften an Land und im Meer. Die biologische Stickstofffixierung kann nur von einer spezialisierten Gruppe von Mikroorganismen, den sogenannten Diazotrophen, durchgeführt werden. Durch eine Umwandlung des Stickstoffgases in beispielsweise Ammonium stellen sie den Lebewesen in ihrer Umgebung nutzbaren Stickstoff zur Verfügung. Sie sind sozusagen winzig kleine Fabriken, in denen der Stickstoffdünger hergestellt wird, der unsere Ökosysteme am Laufen hält.
An Land, wie insbesondere Landwirten bewusst ist, begrenzt Stickstoffmangel oft das Wachstum von Nutzpflanzen. Eine verbreitete Lösung dieses Problems sind chemische Düngemittel, von denen Jahr für Jahr Millionen von Tonnen ausgebracht werden. Alternativ wird auch seit Tausenden von Jahren eine Wechselwirtschaft betrieben, bei der andere Nutzpflanzen abwechselnd mit Hülsenfrüchten angebaut werden. Denn Hülsenfrüchte haben ein eingebautes biologisches Düngesystem: symbiotische Bakterien, die Knöllchen an den Wurzeln der Pflanzen bilden und Stickstoff fixieren, und dadurch ihren Wirt und die umgebende Erde mit diesem unverzichtbaren Nährstoff versorgen. Neue Forschungen zeigen nun, dass manche Meeresbewohner im Laufe der Evolution scheinbar ein ähnliches System entwickelten, um ihr Stickstoffproblem zu lösen. Und auch dieses System könnte die umgebenden Pflanzen gleich mitdüngen.
Quelle: Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (10/2016)
Publikation: Chemosynthetic symbionts of marine invertebrate animals are capable of nitrogen fixation: Jillian M. Petersen, Anna Kemper, Harald Gruber-Vodicka, Ulisse Cardini, Matthijs van der Geest, Manuel Kleiner, Silvia Bulgheresi, Marc Mussmann, Craig Herbold, Brandon K.B. Seah, Chakkiath Paul Antony, Dan Liu, Alexandra Belitz, Miriam Weber. Nature Microbiology (2016) DOI: 10.1038/NMICROBIOL.2016.195
Als die Pflanzen im Lauf der Erdgeschichte das Meer verließen und als Moose das Land besiedelten, waren sie zunächst auf feuchte Lebensräume angewiesen. Dort aber wurden sie gelegentlich mit Trockenperioden konfrontiert. So lernten sie, auch in ausgetrocknetem Zustand zu überleben.
Als dann die Farne auf die Bühne des Lebens traten, entwickelten sie einen wasserdichten Schutzmantel aus Wachs. Dazu gesellten sich Poren in den Blättern, die das Atmen erlaubten, also den Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff mit der Umgebung. Diese Poren schließen sich bei Trockenheit. So wird verhindert, dass zu viel Wasser durch Verdunstung verloren geht.
Mit Wasser haushalten zu müssen: Unter diesem Selektionsdruck standen die frühen Landpflanzen. „Gerade die Ausbreitung der Farne war dabei offenbar eine ‚zeitliche Teststrecke‘ für die optimale Regulation der Blattporen“, sagt Professor Rainer Hedrich von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
Porenregulation früher Landpflanzen untersucht
Gestützt wird diese Einschätzung von neuen Erkenntnissen, die im Fachblatt PNAS veröffentlicht sind. Hedrich hat dafür mit einem internationalen Forschungsteam aus Würzburg, Hobart (Australien) und Purdue (USA) die Porenregulation evolutionär früher Landpflanzen unter die Lupe genommen.
Im Mittelpunkt der Experimente stand das Pflanzenhormon Abscisinsäure (ABA), das bei den höher entwickelten Blütenpflanzen den Wasserhaushalt und die Poren reguliert. Auch bei der Auslösung der Samenruhe ist ABA essenziell. Bei den frühen Landpflanzen erfüllte es diese Funktionen noch nicht, wie sich jetzt gezeigt hat. Stattdessen spielt das Hormon dort eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des Geschlechts.
Was das Enzym der Farne in Blütenpflanzen bewirkt
Obwohl sich diese drei Prozesse so grundsätzlich unterscheiden, verläuft ihr Anfang jeweils identisch: Das Hormon ABA dockt an seinen Rezeptor an und setzt über einige Zwischenschritte das Enzym OST1 in Gang. Bei Blütenpflanzen sorgt das Enzym dafür, dass in den Schließzellen der Blätter der Anionenkanal SLAC1 aktiviert wird. Dadurch schließen sich die Blattporen.
Anders bei den Farnen: Bei Ceratopteris richardii spielt OST1 eine Rolle bei der Festlegung des Geschlechts. Den Wasserhaushalt des Farns kann es nicht beeinflussen. „Wenn man aber OST1 aus einem Farn in Mutanten der Blütenpflanze Arabidopsis überführt, denen OST1 fehlt, kann es dort den ABA-Signalschaden beheben“, so Hedrich. Das habe man auch für den Salzfarn Selaginella moellendorffii bestätigt gefunden.
So sehen die nächsten Forschungsschritte aus
Die Vorläufer der Blütenpflanzen haben also schon einen ABA-Signalweg mit OST1 entwickelt, steuern damit aber noch nicht den Wasserhaushalt. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Phänomens scheint im Ionenkanal SLAC1 zu liegen. „Bei Farnen hat er vermutlich noch nicht die Kompetenz erlangt, um durch OST1 aktiviert zu werden“, so Hedrichs Kollege Professor Dietmar Geiger.
Diese Annahme gelte es jetzt zu prüfen: Wie haben sich die Wechselwirkungen zwischen OST1 und SLAC1 auf dem Weg vom Farn zur ersten Blütenpflanze verändert? Um diese Frage zu klären, wollen die Würzburger Wissenschaftler nun Pflanzen unterschiedlicher evolutionärer Stellung auf den Grad ihrer OST1-SLAC1-Wechselwirkung durchmustern.
Publikation: "Abscisic acid controlled sex before transpiration in vascular plants", Scott A. M. McAdam, Timothy J. Brodribb, Jody Ann Banks, Rainer Hedrich, Nadia M. Atallah, Chao Cai, Michael A. Geringer, Christof Lind, David S. Nichols, Kye Stachowski, Dietmar Geiger, and Frances C. Sussmilch, PNAS, 26. Oktober 2016, DOI: 10.1073/pnas.1606614113
Viele Mikroorganismen produzieren Naturstoffe, die potenziell antibiotisch wirken und deshalb intensiv untersucht werden. Münchner Wissenschaftler haben jetzt eine Klasse von chinonartigen Substanzen mit zusätzlicher Epoxid-Funktion auf ihre antibakterielle Wirkung hin unter die Lupe genommen. Wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, können die Verbindungen sogar problematische Salmonella-Keime abtöten, indem sie in deren Stressantwort eingreifen.
Das Auftreten von multiplen Antibiotikaresistenzen gehört zu den dringendsten Herausforderungen in der klinischen Forschung. Besonders evident ist das Problem bei den gramnegativen Bakterien, die eine für Moleküle kaum zu durchdringende äußere Zellmembran haben. Daher durchforsten Wissenschaftler die vielfältigen Strukturmotive von Naturstoffen auf ihre Fähigkeit, in Mikroorganismen einzudringen und dort möglichst essentielle Enzyme zu hemmen. Stephan Sieber, Iris Antes und ihre Kollegen an der Technischen Universität München erforschen hierbei eine Molekülklasse, die ein in vielen Naturstoffen vorkommendes Chinon-Epoxid-Strukturmotiv aufweist, auf ihre antibakterielle Wirkung.
Die fraglichen Moleküle wurden durch "Klickchemie" mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert, um sie bei der Analyse des Bakterienproteoms zu erkennen, wenn sie mit ihrem - noch unbekannten - Zielprotein reagiert haben. Unter den getesteten Substanzen fanden die Forscher nicht nur die Verbindung FM233, die Salmonella-Keime abtöten kann, die zu den häufig auftretenden Krankheitserregern gehören. Sie konnten auch die Zielproteine identifizieren, mit denen FM233 interagiert. Demnach sind zwei der Zielproteine Teil des Reaktionssystems der Bakterien auf Stress. "Die antibiotische Wirkung von FM233 stammt zum großen Teil aus kombinatorischen Hemmung der bakteriellen Stressantwort und der daraus resultierenden Stressempfindlichkeit", schreiben die Autoren. Die Funktion des dritten Zielproteins war zuvor nicht bekannt. Aus mehreren Tests folgern die Wissenschaftler jedoch, "dass dieses Protein nicht am antibakteriellen Mechanismus beteiligt ist."
Dass FM233 in die bakterielle Stressantwort eingreifen kann, ist ein vielversprechender Ansatzpunkt für die weitere Forschung an der antibakteriellen Wirkung dieses speziellen Molekülgerüsts. Manchmal kann ja schon sehr kleine strukturelle Änderungen am Molekül eine stark veränderte Aktivität auslösen, was dann ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen Resistenzen sein kann.
Mangelnde Sauerstoffkonzentrationen in Seen lassen sich seit mehr als 160 Jahren nachweisen. Die Entwicklung der Städte mit ihren Abwässern sowie der Einsatz von Kunstdünger in der Landwirtschaft haben das ökologische Gleichgewicht der europäischen Seen kontinuierlich verändert. Das haben internationale Wissenschaftler – unter ihnen Geographie-Professor Bernd Zolitschka von der Universität Bremen – in einer Studie nachgewiesen, deren Ergebnisse jetzt in einer Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ publiziert worden sind. Sie belegt auch, dass die Regeneration der Seen nur langsam voranschreitet.
Bereits seit 1850 entwickeln sich niedrige Sauerstoffkonzentrationen in zahlreichen europäischen Seen. Diese sogenannten Hypoxia sind Folge der Anreicherung von Nährstoffen in den Seen durch von Menschen hervorgerufene Umweltbelastungen – Wissenschaftler sprechen von anthropogener Eutrophierung. Sie stört das ökologische Gleichgewicht der stehenden Gewässer erheblich. Dieser Zustand erfasste seit Beginn des 20. Jahrhunderts viele Seen, lange bevor Kunstdünger großflächig angewandt (1950er Jahre) oder der globale Klimawandel nachweisbar wurde (1970er Jahre). Ein internationales Team von Wissenschaftlern konnte den Wandel der Lebensstile und das damit verbundene Wachstum von Städten (Urbanisation) als Ursache für die niedrige Verfügbarkeit von Sauerstoff in einer großen Anzahl an Seen in Europa nachweisen.
Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass ein erhöhter Abwassereintrag seit Beginn des 20. Jahrhunderts die biologische Produktivität in Seen steigerte, was zu einem Anstieg der Sauerstoffzehrung führte. Forscher aus Deutschland, Finnland, Frankreich und Kanada, darunter der Geographie-Professor Bernd Zolitschka von der Universität Bremen, haben jetzt diese Forschungsergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht. Die Studie basiert auf Arbeiten der „Varve Working Group“ des Internationalen Geosphären-Biosphären Programms, IGBP-PAGES (Past Global Changes), an dem Bernd Zolitschka ebenfalls mitarbeitete.
Ein Hauptverursacher für Sauerstoffmangel sind städtische Abwässer
Die Wissenschaftler haben mögliche Auslöser, darunter klimatische Rahmenbedingungen und historische Landnutzung, und die Sedimentdaten von mehr als 1500 Einzugsgebieten europäischer Seen analysiert. Erstmalig verglichen sie Rekonstruktionen der Flächennutzung und deren zeitliche Entwicklung im kontinentalen Maßstab mit Daten der Sauerstoffzehrung in Seen während der vergangenen 300 Jahre. Somit konnten städtische Abwässer, vor allem das darin gelöste Phosphor, als ursächliche Faktoren für den markanten Anstieg von Hypoxia am Grunde von Seen seit Beginn des 20. Jahrhunderts identifiziert werden.
Ein zweiter Hauptverursacher ist Dünger aus der Landwirtschaft
Die Variationen der regionalen Umweltfaktoren sowie ihre Interaktionen aber auch Unsicherheiten bei den Langzeitstudien stellten eine große Herausforderung bei der Durchführung dieser Untersuchung dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass punktuelle und diffuse Quellen stets gemeinsam zum Nährstoffeintrag in Seen beitragen. Ihre Anteile variieren jedoch in Raum und Zeit. Die vorgestellten Ergebnisse dokumentieren die Bedeutung von punktuellen Einträgen städtischer Abwässer als dominierende Ursache der Eutrophierung in europäischen Seen während der gegenwärtigen Epoche der Erdgeschichte – dem Anthropozän. Allerdings lösten diffuse Nährstoffquellen durch den vermehrten Einsatz von Düngemitteln und die Beseitigung punktueller Nährstoffquellen durch den Bau von Abwasserreinigungsanlagen in den vergangenen Jahrzehnten diese als vorherrschende Eutrophierungsursache in den Industrieländern ab.
Trotz verbessertem Umweltschutz regenerieren sich die Seen nur langsam
Trotz der generellen Umweltverbesserung in den meisten Einzugsgebieten von Seen seit den 1980er Jahren sind die tiefsten Schichten dieser Seen weiterhin sauerstofffrei und die einmal etablierten Hypoxia bleiben bestehen. „Diese sehr langsamen Reaktionszeiten der Seesysteme illustrieren die Bedeutung historischer Landnutzungsstudien, aber auch die Notwendigkeit von Langzeitstrategien zur Erhaltung und Verbesserung der Wasserqualität in Seen“, ist die Quintessenz der Autoren.
Publikation: “Urban point sources of nutrients were the leading cause for the historical spread of hypoxia across European lakes”. Jenny, J.-P., A. Normandeau, P. Francus, Z.E. Taranu, I. Gregory-Eaves, F. Lapointe, J. Jautzy, A.E.K. Ojala, J.-M. Dorioz, A. Schimmelmann and Bernd Zolitschka. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).