Das St.Galler Empa-Biotech-Spin-off MycoSolutions AG hat ein neues Pilz-Produkt entwickelt, das den Boden verbessert und Schädlingspilze auf natürliche Weise in Schach hält. Holzmasten bleiben deutlich länger im Einsatz, was den Betreibern Einsparungen in Millionenhöhe bringt. Für die integrierte Holzschutzmethode liegt nun ein «Proof-of-Concept» vor.
In Europa sind rund 30 Mio. Holzmasten bei Telekomunternehmen und Elektrizitätsversorgern im Einsatz. Jedes Jahr müssen Hunderttausende dieser Masten ersetzt werden, weil kupfertolerante, holzzerstörende Pilze auftreten. Dies verursacht Kosten in Millionenhöhe. Das Problem dürfte sich in Zukunft noch weiter verschärfen, da das Kupfer-Fixiermittel Chrom (in bestimmter chemischer Form krebserregend) und das Holzschutzmittel Bor gesetzlich eingeschränkt werden. Zudem läuft die Zulassung für die Schweiz 2019 aus. In Deutschland gelten bereits heute strengere Vorschriften: Da hier weitgehend auf Bor verzichtet wird, gibt es in gewissen Gebieten bereits nach sechs bis acht Jahren Frühausfälle, und die Holzmasten müssen aus Sicherheitsgründen ersetzt werden.
Francis Schwarze, Empa-Forscher und Gründer von MycoSolutions, hat zusammen mit der Swisscom AG im Rahmen eines KTI-Projektes einen Pilz (Trichoderma harzianum) selektiert, der die Boden- und Pflanzenregeneration nach Eingriffen an Holzmasten verbessert. Kupfertolerante Pilze verlieren so ihre Fähigkeit, im Erdreich Oxalsäure zu produzieren und dadurch die kupferimprägnierten Holzmasten zu befallen. Deren Standdauer kann so deutlich verlängert werden. Trichoderma harzianum wird – wie auch die Backhefe – den Klasse-1-Organismen zugeordnet; sie sind für Mensch und Umwelt ungefährlich.
Anfang April haben die Empa-Forscher nun auch eine Publikation in der renommierten Fachzeitschrift «PLOS ONE» veröffentlicht, das den «Proof-of-Concept», also den Nachweis, dass der Ansatz funktioniert, für diese neue Methode des integrierten Holzschutzes liefert. Der Empa-Doktorand und Biotechnologe Javier Ribera konnte zusammen mit Forschenden der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau und der Universitat Politècnica de València in in vitro-Versuchen zeigen, dass ausgewählte Trichoderma-Pilze in der Lage sind, die Schäden durch kupfertolerante, holzzerstörende Pilze stark zu reduzieren.
Mit der neuen umweltfreundlichen, integrierten Holzschutzmethode kann zudem die Menge von nicht-abbaubarem, für Bodenlebewesen schädlichem Kupfer, das ins Erdreich ausgewaschen wird, verringert werden. Verfahren, die den Einsatz von Kupfer reduzieren, sind ganz im Sinne der Nachhaltigkeitsanspruches der Swisscom AG und des Aktionsplans des Schweizer Bundesrates zur Risikoverminderung durch Pestizide. Mit einer längeren Lebensdauer der Holzmasten führt das neue Pilzprodukt auch zu weniger Störungen und langfristig zu erheblich tieferen Wartungskosten. Zudem ist die Swisscom gewappnet, wenn der Gesetzgeber dereinst die Vorschriften für die Imprägnierung der Holzmasten verschärft. Resultate aus internationalen Feldtests lieferten bereits erfreuliche Resultate. MycoSolutions-CEO Reto Vincenz und sein Team wollen im Rahmen von weiteren Feldtests mit Elektrizitätswerken und anderen Interessierten zusammenarbeiten. Geplant sind dabei auch Versuche mit einer zusätzlichen Beimpfung der Holzmasten.
Mit den Methoden der Saarbrücker Messtechniker erschnüffeln transportable Gas-Chromatographen auch winzigste Spuren: Schon ein Billionstel Gramm eines Schadstoffes in einem Gas-Gemisch genügt den Sensorsystemen, die Professor Andreas Schütze mit seinem Team an der Universität des Saarlandes entwickelt. Die Forscher sind darauf spezialisiert, die künstlichen Sinnesorgane immer feinfühliger, genauer und empfindlicher schnuppern zu lassen. Jetzt verbessern die Ingenieure die Detektoren für Gas-Chromatographen mit ihrer Technik. Vor allem mobile Geräte können hiervon profitieren.
Ihr Verfahren zeigen die Ingenieure vom 24. bis 28. April auf der Hannover Messe am saarländischen Forschungsstand (Halle 2, Stand B46). Die Forscher suchen insbesondere Kontakt zu Herstellern von Gas-Chromatographen.
Wieviel Schadstoffe stecken in Lebensmitteln? Welche Substanzen sind im Medikament? Enthält Möbelholz zu viel Formaldehyd? Solche Fragen beantworten Wissenschaftler mit Hilfe so genannter Gas-Chromatographen: Für Medizin, Lebensmittelchemie, Biologie, Umweltanalytik wie Forensik ermittelt dieses Analyseverfahren, was und wieviel davon in Stoffgemischen steckt. Hierzu verdampfen die Prüfer eine Probe und pusten das Gas anschließend durch ein dünnes Röhrchen, die so genannte „Säule“. Das Gemisch trennt sich in einzelne chemische Verbindungen auf. Je nachdem, was und wieviel zu welcher Zeit beim Detektor am anderen Ende der Säule ankommt, können die Tester ablesen, um was genau es sich dabei handelt.
Die Messtechniker aus dem Team von Professor Andreas Schütze an der Saar-Uni arbeiten daran, diesen Detektor am Ende der Säule zu verbessern. „Unser Verfahren macht es möglich, kurze Gas-Pulse hochgenau zu detektieren und kleinste Gas-Mengen selektiv auf die in ihnen enthaltenen Stoffe zu analysieren“, erklärt Tilman Sauerwald, Habilitand am Lehrstuhl für Messtechnik. Dies könnte etwa auch zum Einsatz kommen, um Lungenkrebs anhand ausgeatmeter Luft zu diagnostizieren. Vor allem transportable Gas-Chromatographen haben die Forscher für ihre Gas-Sensoren im Blick. Diese stoßen bislang bei kleinen Gas-Mengen und geringen Spuren von Inhaltsstoffen an Grenzen.
Schützes Arbeitsgruppe entwickelt in zahlreichen Forschungsprojekten ihre neuartigen Gas-Sensorsysteme für verschiedene Anwendungen weiter. Ihre Verfahren machen etwa in Raumluft einzelne Schadstoffmoleküle unter einer Milliarde Luftmolekülen ausfindig. Für die Gas-Chromatographen bringen sie Halbleiter-Gas-Sensoren ins Spiel, die auf nanostrukturierten Metalloxiden basieren. „Unsere Sensoren reagieren hochempfindlich. Wir entwickeln sie so weiter, dass wir immer niedrigere Konzentrationen selektiv messen können. Derzeit können wir bereits 100 Femtogramm detektieren, das ist weniger als ein Billionstel Gramm“, erläutert Sauerwald, der die Arbeiten der Gruppe auf diesem Gebiet koordiniert.
Der Halbleiter-Detektor der Saarbrücker Messtechniker deckt zudem eine sehr große Bandbreite an Stoffen ab, er kann also viele Arten von Stoffen aufspüren, von Kohlenmonoxid bis hin zu krebserregenden organischen Verbindungen, und zugleich ihre jeweilige Konzentration bestimmen.
Um sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, produziert das Gehirn auch im Erwachsenenalter neue Nervenzellen. Diese jungen Neuronen sind zentral für die Gedächtnisbildung und das Lernen. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Universitätsklinikum Heidelberg haben nun an Mäusen entdeckt, dass ein kleines Peptid dabei die Vermittlerrolle spielt. In Reaktion auf einen äußeren Reiz wie etwa eine abwechslungsreiche Umgebung steigert das Vermittler-Peptid die Vermehrung von Nerven-Stammzellen und Nerven-Vorläuferzellen.
Die Fähigkeit des Gehirns, auf Veränderungen zu reagieren und sich diesen anzupassen, bezeichnen Wissenschaftler als Plastizität. Diese Fähigkeit ist die Grundlage aller Lernprozesse. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten neue Nervenzellen, die auch beim Erwachsenen in bestimmten Bereichen des Gehirns entstehen können.
„Wir wussten aber bisher nicht, über welche molekularen Prozesse veränderte Umweltbedingungen in die Produktion neuer Nervenzellen übersetzt werden“, erklärt Hannah Monyer, Leiterin der Kooperationsabteilung Klinische Neurobiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Universitätsklinikums Heidelberg. „Mit unserer aktuellen Arbeit haben wir erstmals einen wichtigen Vermittler in diesem Prozess gefunden.“
Monyer und ihr Team zeigten mit ihrer aktuellen Arbeit, dass das kleine Peptid DBI der entscheidende Vermittler ist. Der Name DBI steht für Diazepam binding inhibitor: Das Peptid wurde zunächst entdeckt, weil es an den Rezeptor für den Hirnbotenstoff GABA bindet und dort das Medikament Diazepam (Valium) verdrängt.
Bereits vor kurzem hatten Monyer und ihre Kollegen publiziert, dass DBI in der so genannten subventrikulären Zone des Gehirns die Nerven-Neubildung ankurbelt. Dieses Gehirnareal ist zuständig für den Nerven-Nachschub im Riechsystem, das bei Nagetieren extrem fein ausgebildet ist. In ihrer aktuellen Arbeit zeigt die Heidelberger Neuroforscherin, dass DBI dieselbe Funktion auch im Hippocampus ausübt – also in derjenigen Region im Gehirn, in der die Gedächtnisbildung und das Lernen verortet sind.
Neue Nervenzellen, die im Hippocampus entstehen, verbessern die Orientierung und das Lernvermögen der Tiere. Zahlreiche Forschungsarbeiten haben bereits belegt, dass körperliche Aktivität oder aber eine abwechslungsreiche Gestaltung ihrer Umgebung bei Mäusen die Nerven-Neubildung im Hippocampus anregen.
Mit verschiedenen genetischen Methoden schalteten die Forscher um Monyer nun das DBI-Gen gezielt in dieser Gehirnregion der Mäuse aus oder aber kurbelten es besonders an. Ohne DBI ging im Hippocampus die Zahl an Nerven-Stammzellen zurück. Eine Überversorgung mit dem Peptid bewirkte das Gegenteil, die Wissenschaftler fanden mehr Nerven-Stammzellen und Vorläuferzellen.
Die Ausstattung der Käfige mit Spielzeug ist eine etablierte Methode, um bei Nagern die Bildung neuer Nervenzellen im Hippocampus anzuregen. Doch bei Mäusen, deren DBI-Gen im Hippocampus mit molekularbiologischen Tricks ausgeschaltet war, konnte die anregende Umgebung nichts ausrichten: Die Zahl der Nerven-Stammzellen ließ sich nicht steigern.
DBI übt seine Wirkung aus, indem es in den Nerven-Stammzellen an den Rezeptor für den Hirnbotenstoff GABA bindet und dadurch als molekularer Gegenspieler des Neurotransmitters wirkt. „GABA sorgt dafür, dass die Stammzellen in ihrer Nische ruhig schlafen, ohne sich zu teilen. Kommt DBI ins Spiel, vermehren sie sich und vergrößern dadurch den Stammzell-Pool, der als Reservoir für junge Nervenzellen zur Verfügung steht“, erklärt Ionut Dumitru, der Erstautor der Arbeit. „Wir haben offensichtlich mit DBI den zentralen Vermittler gefunden: Das Peptid dämpft die Wirkung von GABA und koppelt dadurch die Umweltreize mit der Produktion der zum Lernen notwendigen neuen Nervenzellen.“
Wasserstoff ist aufgrund seiner hohen Energiedichte ein hervorragender Energiespeicher und Fahrzeuge mit verbauten Brennstoffzellen gelten als ernstzunehmende Alternative zu batteriebetriebenen Autos. Zwar ist das einzige Nebenprodukt der Brennstoffzelle Wasser, doch bei der Wasserstoffherstellung entstehen womöglich Treibhausgase. Eine umweltschonende Alternative ist die photokatalytische Wasserspaltung. Für den massenhaften Einsatz muss dieses Verfahren allerdings noch stark verbessert werden. In der renommierten Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ stellen Forscher aus Ulm, München und Kaiserslautern eine effiziente Methode zur Charakterisierung wasserspaltender Katalysatoren vor.
Wasserstoff hat das Zeug zum Energieträger der Zukunft: Allein bis 2019 stellt beispielsweise die Bundesregierung eine Viertelmilliarde Euro zur Verfügung, um Wasserstoffautos massentauglich zu machen. Denn was Reichweite und Betankungsdauer angeht, können diese Fahrzeuge durchaus mit Benzinern konkurrieren. Zur umweltfreundlichen Herstellung von Wasserstoff durch Photokatalyse forscht eine interdisziplinäre Gruppe um Professor Sven Rau, Leiter des Instituts für Anorganische Chemie I an der Universität Ulm. Bei dieser Form der künstlichen Photosynthese wird Wasser mithilfe von Sonnenenergie in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgetrennt: Ein spezieller Metallkomplex – im verwendeten Modell aus Ruthenium – dient als Lichtfänger. Das Ruthenium gibt daraufhin ein Elektron ab, das auf das Reaktionszentrum aus Platin oder Palladium springt. An diesem Zentrum wird dann Wasserstoff hergestellt. Für die massenhafte technische Nutzung sind bisherige Photokatalysatoren jedoch nicht aktiv genug.
Bei den Kollegen der Technischen Universität Kaiserslautern hat die Ulmer Forschergruppe ein Verfahren genutzt, das die Charakterisierung von wasserspaltenden Photokatalysatoren um ein Vielfaches beschleunigt und vereinfacht. Unterstützung in der Theorie erhielten die Forschungsgruppen dabei von Dr. Maxim Gelin von der TU München, der wichtige Simulationen zur Interpretation der experimentellen Daten beitrug. „Früher hat eine Reihe solcher Untersuchungen bis zu zehn Jahre gedauert. Jetzt können wir innerhalb von Tagen wichtige Eigenschaften eines Photokatalysators bestimmen, und so auch Hinweise auf Optimierungspotentiale erhalten“, erklärt Professor Sven Rau. Herzstück des Versuchsaufbaus ist eine Ionenfalle in einem so genannten Massenspektrometer. „In der Gasphase werden die Katalysatormoleküle auf einer Kreisbahn gehalten und stetig mit energiereichen und ultrakurzen Laserpulsen beschossen, wobei die Moleküle einzelne Bestandteile verlieren. Dadurch lässt sich das Springen der Elektronen verfolgen und wir gewinnen gleichzeitig Informationen zur Stabilität des Photokatalysators“, erklären Rau und PD Dr. Christoph Riehn von der TU Kaiserslautern, die das Verfahren mit „Star Wars im Reagenzglas“ vergleichen. Anhand der untersuchten Modell-Photokatalysatoren konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die aus der Lösung bekannte Stabilität auch in der Gasphase existiert. Dafür haben sie in den letzten zehn Jahren gewonnene Daten mit den aktuellen Ergebnissen abgeglichen. Zudem fanden sich Hinweise auf ein ultraschnelles Springen von Elektronen von dem photochemischen Triebwerk, in diesem Fall ein Rutheniumkomplex, zum katalytischen Reaktionszentrum, einem Platinkomplex. Somit konnte die Forschergruppe die Funktionalität des neuen Verfahrens anhand detailliert untersuchter Modellkatalysatoren nachweisen.
Die Vorteile sind zahlreich: Der Materialaufwand ist ebenso geringer wie der Anspruch an die Reinheit der Katalysatoren. Zudem lassen sich sehr viele Eigenschaften in einem Schritt bestimmen. „Die Entwicklung neuer molekularer Energiematerialien wird in Zukunft schneller und effizienter werden. Bisher haben wir mit einem Schäufelchen gearbeitet, jetzt besitzen wir einen Bagger“, erläutert Rau, dessen Institut unzählige Katalysatoren hergestellt und charakterisiert hat. Die Arbeitsgruppe um PD Dr. Christoph Riehn, darunter Doktorand Dimitri Imanbaew, vom Fachbereich Chemie der TU Kaiserslautern hat die physikalische Methode zur Verfügung gestellt. Sie besteht aus einer Kombination von Massenspektrometrie und Femtosekunden-Laserspektroskopie. Entwickelt haben die Kaiserslauterer Physikochemiker dieses Verfahren im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/TRR 88 („Kooperative Effekte in homo- und heterometallischen Komplexen“, 3MET). Als nächsten Schritt wollen die Chemiker alternative, weniger seltene Materialien für das Photoreaktionszentrum finden. Derzeit ist Eisen ein vielversprechender Kandidat. Zudem funktioniert die Wasseroxidation noch nicht. „Bis wir umweltfreundlichen Wasserstoff als Massenprodukt auf diese Weise herstellen können, wird es noch Jahrzehnte dauern. Doch schon jetzt beschleunigt unser neues Verfahren die Suche nach alternativen Energiequellen“, resümiert Rau. Die Forscher wurden vor allem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie den Universitäten Ulm und Kaiserslautern unterstützt.
Als eine von wenigen weltweit beschäftigt sich eine neue Forschungsgruppe am Wiener Gregor Mendel Institut unter der Leitung von Yasin Dagdas mit Autophagie bei Pflanzen. Dieses Recyclingsystem hat viel mit Fasten zu tun. Die Forschungsergebnisse könnten jährlich Milliarden an Ernteschäden verhindern – Ernteschäden, die mit den Hungersnöten in Irland schon die Geschichte wesentlich geprägt haben.
Autophagie ist ein Teil des Recyclingprozesses der Pflanze. „Teile der Pflanzenzellen werden alt. Bei der Autophagie werden die alten, teilweise gefährlichen Teile quasi in die Post gesteckt und ins Recyclingzentrum der Zelle geschickt. Dadurch bleibt die Zelle voll funktionsfähig“, erklärt Yasin Dagdas, neuer Forschungsgruppenleiter am Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das Gleiche passiert beim Fasten: Autophagie wurde vom Nobelpreisträger des Jahres 2016, Yoshinori Ohsumi, als Reaktion auf Hunger entdeckt. Er beobachtete ein Transportsystem in hungernden Zellen, welches Zellteile in ein Recyclingzentrum führt, in dem sie in Energie bzw. benötigte neue Zellteile umgewandelt werden. Die ganze Zelle wird durch dieses System verjüngt. Eine Reihe von Forschungen hat gezeigt, dass kurze Fastenperioden den Stoffwechsel aktivieren, wodurch Muskel- und Gehirnzellen erneuert werden – was wiederum vor Alzheimer und anderen mit dem Altern verbundenen Krankheiten schützt. Studien an Mäusen haben gezeigt, dass sie länger leben und bessere Leistungen erbringen, wenn man sie ein wenig hungern lässt. Ihr Gedächtnis ist besser, die Muskeln leisten mehr. Fasten gibt dem System einen Impuls. „Wir versuchen nun zu ergründen, wie dieses System bei Pflanzen funktioniert. Denn für Pflanzen ist diese Erneuerung noch viel wichtiger als für Tiere oder Menschen: Ist einem Tier kalt oder wird es bedroht, kann es weggehen – Pflanzen können das nicht. Sie müssen am selben Platz bei -10 und + 30 Grad leben. Wir Menschen ertragen mit 37 bis 39 Grad eine Schwankung der Körpertemperatur von zwei Grad, Pflanzen ertragen bis zu 50 Grad Unterschied“, so Dagdas. Dazu kommen Wind, Trockenheit und die konstante Bedrohung durch Krankheitserreger. Diese können aus der Luft oder auch über die Wurzeln kommen. Autophagie ist für Pflanzen ein Fluchtweg, alle diese Bedingungen zu überleben.
Anpassung in Minutenschnelle „Stellen Sie sich vor: Sie sind mit Schnee bedeckt und plötzlich kommt die Sonne heraus. Sie haben wenig Zeit, sich an diese Veränderung anzupassen, indem Sie zum Beispiel Ihre Kleidung wechseln. Dank der Autophagie passiert diese Anpassung innerhalb von 15 bis 20 Minuten – die Zelle zieht sich quasi in Minutenschnelle um. Und schneit es wieder, dann macht sie diese Anpassung rückgängig. Autophagie holt mit seinem ausgeklügelten Transportsystem die passenden Kleider rasch aus dem Schrank. Dieses System funktioniert sehr kontrolliert und wir versuchen diese Funktionsweise zu entschlüsseln“, erklärt Dagdas. Wie Dagdas in seinen Forschungsarbeiten zeigte, wirkt Autophagie auch gegen Krankheitserreger. Diese Erkenntnis hat auch große Bedeutung für den Menschen: Das Pathogen Kartoffelmehltau hat Mitte des 19. Jahrhunderts in Irland mehrere Missernten verursacht. Eine Million Menschen verhungerten, zwei Millionen mussten auswandern, überwiegend in die USA. Noch heute, über 150 Jahre danach, ist dieses Pathogen eine große Bedrohung für die Landwirtschaft: Jährlich verursacht es weltweit sechs Milliarden US-Dollar Ernteausfälle. Dagdas hat gezeigt, dass eine Erhöhung des Autophagie-Niveaus Pflanzen resistenter gegen dieses Pathogen macht. „Eine verbesserte Anpassung durch Autophagie, an der wir forschen, könnte schlussendlich auf Getreidearten übertragen werden und diese resistenter gegen Krankheitserreger oder Dürre machen“, sagt Dagdas.
Forschende auf der ganzen Welt versuchen herauszufinden, welche Auswirkungen die zunehmende Ozeanversauerung auf Ökosysteme im Meer haben wird. Dabei werden unter anderem die verschiedenen Anpassungsfähigkeiten einzelner Arten betrachtet und miteinander verglichen. Biologinnen und Biologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben jetzt aber herausgefunden, dass die Reaktionen auch innerhalb einer Art durchaus unterschiedlich sein können. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift Biology Letters der Royal Society erschienen.
Der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt und damit auch die Menge des CO2, die in die Meere gelangt. Dort verändert das Gas die Chemie des Wassers - der pH-Wert sinkt. Dieser Prozess ist mittlerweile unter dem Begriff „Ozeanversauerung“ bekannt. Welche Folgen er für einzelne Organismen, aber auch für ganze Ökosysteme haben kann, versuchen Forschende weltweit herauszufinden. Viele Arten des pflanzlichen Planktons, die Photosynthese betreiben, könnten vom erhöhten Kohlendioxid-Angebot profitieren, während andere Arten leiden, weil sie zusätzlich Kalkschalen bilden und dafür in einer saureren Umgebung mehr Energie benötigen.
Biologinnen und Biologen des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel haben jetzt außerdem Indizien gefunden, dass nicht nur verschiedene Arten, sondern sogar genetisch nur leicht verschiedene Individuen einer Art unterschiedlich auf Umweltveränderungen reagieren. „Man darf sich also nicht nur einzelne Individuen ansehen, wenn man abschätzen will, wie eine ganze Art auf die Ozeanversauerung reagiert“, sagt die Biologin Giannina Hattich vom GEOMAR. Sie gehört zu den Autorinnen der Studie, die kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift Biology Letters der Royal Society erschienen ist.
Für ihre Untersuchungen hat sich das Team zwei Arten von Kalkalgen (Emiliania huxleyi und Gephyrocapsa oceanica) und eine Kieselalge (Chaetoceros affinis) als Beispielarten ausgewählt. Alle drei betreiben Photosynthese, die beiden erstgenannten bilden zusätzlich Kalkschalen. „Innerhalb dieser Arten gibt es verschiedene Individuen, sogenannte Genotypen. Diese Genotypen bilden im Labor durch asexuelle Vermehrung Populationen, die genetisch komplett identisch sind. Mehrere dieser Genotypen können in der Natur auf engstem Raum nebeneinander existieren und sich auch sexuell miteinander fortpflanzen, wodurch neue Genotypen entstehen. Ihr Verhältnis untereinander ist aber bisher nur wenig erforscht“, erklärt Mitautorin Luisa Listmann vom GEOMAR.
Aus Meerwasserproben, die vor Gran Canaria gewonnen worden waren, haben die Forschenden neun Genotypen von jeder der drei Arten isoliert. Für jeden Genotypen haben sie dann die Wachstumsraten alleine und in einem Mix aus allen Genotypen der jeweiligen Art unter natürlichen und erhöhten CO2-Bedingungen analysiert. „Entgegen unserer Erwartungen haben wir festgestellt, dass alle drei Arten im Mittel fast gleich gut in den beiden CO2-Bedingungen wachsen. Wir konnten aber für Emiliania huxleyi zeigen, dass einzelne Genotypen schlechter unter erhöhten CO2-Bedingungen wuchsen als andere. Es gab also Unterschiede innerhalb einer Art“, sagt Giannina Hattich.
Bisher beruhten Vorhersagen über die Veränderungen des maritimen Ökosystems meist auf Untersuchungen, die mit nur einem oder wenigen Genotyp pro Art durchgeführt wurden. „Unsere Studie wirft jetzt die Frage auf, ob die herkömmliche Herangehensweise mit einzelnen Genotypen aussagekräftig ist, um die Auswirkung von Umweltveränderungen auf eine ganze Art vorherzusagen“, fasst Projektleiterin Dr. Birte Matthiessen vom GEOMAR die Ergebnisse zusammen.
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (04/2017)
Publikation: Hattich, G. S. I., L. Listmann, J. Raab, D. Ozod-Seradj, T. B. H. Reusch, B. Matthiessen (2017): Inter- and intraspecific phenotypic plasticity of three phytoplankton species in response to ocean acidification. Biol. Lett. 13: 20160774, http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2016.0774